Ambivertiert klingt erstmal vertraut und neu gleichzeitig. Dabei beschreibt es einen Zustand, in dem sich eigentlich fast alle Menschen befinden, ohne es genau zu wissen.
Was bekannte Begriffe sein dürften, sind “Introvertiert” und “Extrovertiert”, die beiden Gruppen, in die Persönlichkeiten gerne mal klassifiziert werden, wenn man ein tolles Weltbild von genau zwei unterschiedlichen Zuständen haben möchte.
Was es aber auch gibt, ist die Ambivertiertheit: Nicht richtig extrovertiert, nicht richtig introvertiert und doch irgendwie beides.
Meine Erfahrungen mit Ambivertiertheit habe ich heute mal zusammengestellt und hoffe, dass es euch nicht stört, dass es heute mal kein Buchthema ist!
Ambivertiert – Was bedeutet das eigentlich?
Viele kennen bestimmt das Sprichwort, dass extrovertierte Menschen ihre Batterien dadurch aufladen, dass sie mit anderen Menschen zusammen sind und introvertierte Menschen dadurch, dass sie für sich alleine sind und Zeit mit sich und ihren Gedanken verbringen können.
Doch auch dazwischen muss es etwas geben, oder nicht?
Eine “richtige” Definition für den Begriff lässt sich schwer finden, viele Seiten im Internet beschäftigen sich nur damit, welche Anzeichen es geben könnte, dass man ambivertiert ist.
Ein Satz bei Wikipedia gibt eine kurze Auskunft:
Als ambivertiert gelten einerseits Personen mit gemäßigter Neigung, andererseits Personen mit stark wechselhafter introvertierter und extravertierter Neigung.
Also alles, was sich irgendwie zwischen intro- und extrovertiert bewegt, was sich nicht so richtig einordnen lässt, oder sehr wechselhaft in der Auslebung sein kann, ist ambivertiert.
Über dieses Wort lässt sich schwer stolpern, viele können damit gar nichts anfangen, aber einmal entdeckt, gab es für mich quasi gar keine andere Möglichkeit und endlich das Gefühl, einen Begriff für das zu haben, was mich so umtreibt: Ich gehöre halt in die Mitte.
Wie ich merkte, dass ich ambivertiert bin
Ich habe immer wieder Persönlichkeitstests gemacht, denn ob ihr es glaub oder nicht: Früher war ich ein sehr schüchternes Kind und eine sehr schüchterne Jugendliche. Ich hatte kaum Freunde, war mit mir selbst aber auch immer zufrieden.
Aber dann durchlebte ich innerhalb von zwei Jahren eine wirklich drastische Änderung, habe immer mehr Freunde dazu gewonnen, mich selber “verbessert” und fühle mich in meiner Haut so wohl wie nie.
Und ich fragte mich immer, wie das denn zusammen passen kann. Denn man wechselt ja nicht einfach so aus Lust und Laune seine Intro- beziehungsweise Extrovertiertheit.
Bis ich eines Tages auf einen Charaktertest im Internet (jaja, ich weiß, Klischees und so :D) gestoßen bin, der mir das Konzept der dritten Möglichkeit erklärte: Ambivertiertheit!
Man, was ich aufgeregt! Endlich etwas, womit mein Verhalten sich beschreiben lässt.
Denn ganz ehrlich: So toll Kontakt mit anderen Menschen auch ist: Manchmal ist Alleinsein reinster Balsam für die Seele!
Also, wie ist das so, ein Ambivertierter zu sein? (Das muss bei euch natürlich nicht genauso aussehen, aber ein kleiner Einblick in mein Leben könnte vielleicht dazu verhelfen, sich selbst besser einzuordnen.
Typische Beispiele aus meinem Leben
Ich liege im Bett und lese mein Buch, fühle mich pudelwohl und futtere meine Kekse. Aber dann überkommt mich auf einmal der Drang, mich mit ganz vielen anderen Menschen zu treffen, zu plaudern und mich einfach fallen zu lassen.
Ich freue mich den ganzen Tag darauf, endlich nach Hause in mein Bett zu kommen und fühle mich dann dort unfassbar allein und einsam.
Ich möchte die ganze Woche nicht auf diese Party gehen, habe aber voller Vorfreude zugesagt. In zwei von drei Fällen gebe ich mir einen Ruck, komme auf der Party an und fühle mich wohler als je zuvor in meiner Haut.
Genauso kann ich aber auch auf der Couch sitzen, umgeben von meinen besten Freunden, und mich auf meine heimische Couch zurückwünschen.
Wisst ihr, wie anstrengend es ist, in den meisten Fällen total aufgedreht, fröhlich und offen zu sein und dann Tage zu haben, an denen man sich einfach nur verkriechen will?
Auch schlimm ist es, wenn man immer nett und offen ist und dann an einem anderen Tag einfach nichts mit Menschen zu tun haben will und diese einen dann komisch angucken, weil sie denken, ich ignoriere sie absichtlich?
Manchmal denke ich, keine Freunde zu haben, manchmal, dass mir die schiere Masse über den Kopf wächst und manchmal, dass es nicht genug sein können.
Es gibt aber auch Vorteile: Ich kann soziale Situationen ziemlich gut einschätzen und kann das Maß zwischen Losplappern und Klappe halten, wenn es wichtig wird, halten.
Die wackelige Bilanz aus totaler Verzweiflung in sozialen Situationen und der Überzeugung, sich unbedingt ins Geschehen stürzen zu müssen, ist anstrengend as fuck!
Außerdem: Small Talk ist die Pest! Ich will tiefsinnige Gespräche führen! Aber die am liebsten laut, vor allen und im Prinzip direkt nach dem Kennenlernen. Jap, finde mal so Leute, die das mit sich machen lassen! 😀
Wenn mein Tank für Leute und Gespräche aufgebraucht ist, kann es schonmal vorkommen, dass ich völlig erschöpft nach Hause torkle und mich in meinem Bett verkrieche, nur um in zwei Minuten wieder mit Menschen sprechen zu wollen. Es ist ein Teufelskreis!
Ich kann stundenlang reden, aber auch stundenlang zuhören und manchmal versuche ich beides. (Klappt aber nicht so ganz :D)
Ich bin nicht unbedingt konsequent in meinem Verhalten, was mich und viele um mich herum irritiert, aber es kann auch ziemlich viele Vorteile haben!
Gibt es Schubladendenken?
Aber sowas von! Wenn du dich einmal etwas extrovertiert zeigst, denken alle immer sofort, dass du immer Bock auf Partys hast und mit allen Leuten immer reden willst und dich verabreden willst.
Guess what? Manchmal brauche ich eine Auszeit von so vielen Menschen!
Und das gilt auch, wenn wir gerade mitten im Gespräch sind. Manchmal überkommt mich einfach der Drang, alleine sein zu müssen. Aber finde erstmal Leute, die das nicht total komisch finden.
Auch die beiden Freundeskreise der Introvertierten und Extrovertierten zusammenzubringen kann manchmal eine echte Hürde sein, denn irgendwie fühlt sich alles in Anwesenheit beider gefaked an.
Viele wissen nicht, was Ambivertiertheit ist, noch, dass das eigentlich ziemlich normal ist und nicht jeder Mensch immer extrovertiert oder immer introvertiert sein kann.
Was auch dazu führt, dass ich mich mit verschiedenen Freundeskreisen immer extrem unterschiedlich verhalte. Was ein gutes oder ein schlechtes Zeichen sein kann 😀
Fazit
Wie ist es, ambivertiert zu sein?
Es hat definitiv Vorteile. Ich kann mich in fast jeden Menschen hinein versetzen und mit fast jedem eine Verbindung aufbauen, weil ich weiß, wie man sie ansprechen und mit ihnen umgehen muss oder kann.
Es kann aber auch verdammt ermüdend sein, immer wieder hin und zurück zu wechseln und das dann den Mitmenschen zu erklären, die man noch nicht so lange kennt, oder die man eben nicht enttäuschen will.
Es hat Vorteile, aber auch Nachteile, sowohl die Lesemaus, als auch die Partyqueen sein zu können. Vor allem, wenn die beiden einfach mal mir nichts, dir nichts die Plätze tauschen. Ich bin empört!
Im Großen und Ganzen ist Ambivertiertheit eine Gradwanderung zwischen den Extremen der sozialen Welt. Man kann es genießen, man kann damit aber auch abstürzen.
Pingback: Perlen aus dem Netz vom 15.11.2017 ⋆ Kleiner Komet *Willkommen in meiner Welt der Geschichten*
Pingback: Von Blog zu Blog… [3] – Im Bücherzelt