Rezension: “Das Universum für Eilige” von Neil DeGrasse Tyson

Neil deGrasse Tyson ist der Harald Lesch der USA – immer in Talkshows unterwegs, studierter Astrophysiker mit seinen eigenen Shows und Talks, die er zugunsten der Wissenschaft veranstaltet. Natürlich schreibt er auch Bücher. Sein neuestes Werk nennt sich “Astrophysics for People in a Hurry” oder auch “Das Universum für Eilige” und brüstet sich, in mehreren kurzen Essays einen kleinen Einblick darein zu geben, was in der Forschung über das Weltall mittlerweile herausgefunden wurde und wie man mit neuen Informationen umgeht.

Doch ist dieses Buch wirklich für Leute geeignet, die absolut keine Ahnung von der Materie haben?


Bibliographische Daten

  • Autor: Neil deGrasse Tyson
  • Genre: Populärwissenschaftliches Sachbuch
  • Verlag: Hanser
  • Seitenzahl: 183 S.

Kurzbeschreibung

Was ist das Wesen von Raum und Zeit?

Wo ist unser Platz im Universum? Und steckt der Kosmos in uns?

Neil deGrasse Tyson, der Popstar unter de Astrophysikern, beantwortet die existenziellen Fragen – mit Witz, Charme und Leidenschaft.

Sein Nr. 1-New York Times-Bestseller ist der ultimative Reiseführer durch das Universum.


Vielen Dank an den Hanser-Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!


Eigene Meinung

POSITIV

  • Es ist kurz gehalten

Dieses kleine Büchlein hat einen riesengroßen Vorteil: Es sind nur um die 180 Seiten, auf denen in nicht gerade kleiner Schrift unser Universum erklärt wird! Dabei hält sich der Autor in seinen Erklärungen erstaunlich kurz und doch präzise, die einzelnen Essays werden nicht länger als 30 Seiten und bieten damit einen leichten und kurzweiligen Einstieg in die Themen des Weltalls, wie es der Titel allein ja schon verspricht.

  • Großteils verständliche Sprache

In großen Teilen verliert sich der Autor auch nicht in Fachsprache, die einen Normalo-Menschen nur mit Fragezeichen im Kopf zurücklässt. Die Sprache ist zwar eloquent, aber keinesfalls zu technisch gehalten (und ich weiß, wie schwer das sein kann, in den meisten physikalischen Zusammenhängen gibt es eigentlich nur eine korrekte Formulierung, damit keine Verwirrungen und Missverständnisse auftauchen). Tyson hält sich sehr an Alltagssprache und gibt damit jedem die Möglichkeit, ihn zu verstehen.

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  • Kurze und witzige Auflockerungen zwischendurch

Um das Ganze auch noch aufzulockern, erläutert Tyson an Alltagsbeispielen, macht Witze zum aktuellen Kulturgeschehen und bringt seinen ureigenen Charme in seinem Buch unter, damit man sich auch ja nicht langweilt in den ganzen wissenschaftlichen Erklärungen über Sterne, Moolekularbewegungen und chemische Physik.

Hat mir sehr gut gefallen und ich musste mehrmals laut auflachen! Bei einem populärwissenschaftlichen Sachbuch eine echte Qualitätsmarke!

  • Verständliche Erklärungen des Universums und seiner Teilchen – auch, wenn man es nicht genau kennt

Der Autor widmet sich in diesem Buch nicht nur dem Universum und den Sternen, er erklärt, wie es direkt nach dem Urknall aussah, wie wir darauf kommen, dass es einen Urknall gab, wie Aliens uns finden könnten, was verschiedene Elemente mit Sternen zu tun haben und was eigentlich dunkle Energie und Materie sind! Verständliche Erklärungen für neue Erkenntnisse der Wissenschaft, bei denen auch an manchen Stellen gesagt werden muss: Wir wissen es noch nicht. Ein toller Zug, der eben auch zeigt, dass noch längst nicht alles erforscht wurde, was wir sehen und eben nicht sehen können.

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  • Auch für “Fortgeschrittene” gut geeignet

Ich muss gestehen, dass ich nicht völlig neu bin, was dieses Thema angeht. Ich hatte Physik LK in der Schule und habe eine Freundin, die sich im Studium auf Astrophysik spezialisieren will. Ich bekomme also schon einiges mit, was im Universum so passiert und auch die meisten der vorgestellten Experimente und Erkenntnisse waren mir nicht neu. Trotzdem schafft es Tyon, mich zu fesseln in der Beschreibung von bekannten Entdeckungen.

Und dunkle Materie und dunkle Energie sind für jeden Physik LK viel zu hohe Physik, dementsprechend sind diese Erkenntnisse und Experimente auch für jeden “Fortgeschrittenen” im Thema Physik und Astrophysik geeignet!

  • Eingang auf die moralische Verantwortung der Wissenschaft

In seinem letzten Essay geht Tyson auf etwas ein, was viele Wissenschaftler gerne mal vergessen: Dass es auf der Erde selbst auch noch Probleme gibt, dass es eine Verantwortung der Wissenschaft gibt, dass man nicht einfach wegschauen und sich im Labor verschanzen kann und seine eigenen Forschungen als das Höchste betrachten kann.

Ein guter Weg, dieses Buch abzuschließen und gleichzeitig die Leser auf diese wichtigen Themen hinzuweisen!

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NEGATIV

  • Manche Sätze…ach, lest selbst

Ok, als ich das Buch gelesen habe, hatte ich einen anstrengenden Messetag hinter mir und guckte nebenbei Germanys Next Topmodel, aber über diesen Satz kam ich auch hinterher nicht hinaus. Lest selbst:

Die Diskrepanz zwischen der aus sichtbaren Objektiven ermittelten Masse und der auf der Basis der Gesamtgravitation geschätzten Masse dieser Objekte reicht von Galaxie zu Galaxie und von Haufen zu Haufen von geringen Faktoren bis hin zu einem Faktor von mehreren Hundert.

Holla die Waldfee. Ich mag technische Beschreibungen eigentlich gerne und selbst in Mathevorlesungen steige ich meist durch komplexe Dinge nach mehrmaligem Lesen durch, aber das hier ist schon next Level für jemanden, der es ja eigentlich “ganz einfach” erklären will.

Viele solcher Sätze gibt es zwar nicht, aber man stolpert schon hin und wieder über sie.

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  • Die Erwähnung, dass alle fasziniert von Wissenschaft sein *müssen*

Ich mag es generell nicht, wenn mir jemand sagt, was ich zu denken habe. Egal, ob es nun ist, dass ich doch etwas anderes studieren solle, oder mein Lippenstift zu grell ist, eine solche Einmischung finde ich respektlos.

In einem der letzteren Essays bespricht Tyson, dass er nicht verstehen kann, dass sich Menschen angesichts unseres Universums als klein und unbedeutend empfinden, da er jedes Mal total fasziniert von den unendlichen Weiten ist und er nicht verstehen kann, wie man dem Menschen durch Religion mehr Wert zuweisen will, als er auf das ganze Universum verteilt nun Mal hat.

Die Sache ist: Nicht jeder ist total fasziniert von der Wissenschaft. Sonst hätten wir wohl sehr viel mehr Astrophysiker hier rumlaufen. Und das ist auch völlig ok. Aber wenn mir jemand vorschreiben will, wie ich mich angesichts unserer völligen Irrelevanz zu fühlen und aufgrund dessen handeln soll, finde ich das nicht so cool.

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  • Etwas zu schnell für Anfänger

Ich verstehe, dass man das Buch kurz halten wollte und es für alle verständlich sein soll, aber manche Erkenntnisse werden so schnell abgehandelt, dass man schon beim übernächsten Thema ist, ehe man denkt: Woah, das ist ja voll toll! Oder: Moment, was?

Manche Themen wurden dann doch zu schnell und in zu wenigen Sätzen abgehandelt, dass man sie hätte durchdringen könnte.

  • Der Preis

Eine wichtige Sache wollte ich noch anbringen: Dieses sehr kleine Büchlein von 180 Seiten hat im Hardcover mit Schutzumschlag einen Preis von 17 Euro.

Für mich ist das viel zu viel. Ich verstehe, dass man Rechte teuer kaufen muss und die Inflation natürlich auch bei Buchpreisen eine Rolle spielt, aber dennoch kam mir dieser Preis etwas hoch vor für den Input, den man geboten bekommt.

Dementsprechend habe ich beim Verlag nachgefragt, wie dieser Preis denn zustande kommt und habe folgende Antwort erhalten:

Buchpreise kalkulieren nicht nur Papier und Druck ein, auch die gesamte Verlagsarbeit von Lektorat bis Herstellung, Werbung, Vertrieb und Presse muss irgendwie bezahlt werden, das Licht im Verlag und die fleißigen Putzleute, die abends die Papierkörbe leeren. Dann soll der nette Buchhändler beim Verkauf etwas verdienen, der Übersetzer selbstverständlich und natürlich auch der Autor.

Freilich, ein Hamburger-Royal-Menü bei McDonalds kostet auch nur € 6,29 – das ist dann eben Fastfood. Billige Bücher sehen meist auch billig aus – „Das Universum für Eilige“ ist ordentlich gebunden, mit einem festen Schutzumschlag versehen, auf holzfreiem, FSC-zertifiziertem Papier gedruckt und durchgehend mit einem lebenden Kolumnentitel und Register versehen. (Macht sich jemand eine Vorstellung, was es kostet, ein Register zu erstellen? Wahrscheinlich nicht. Bemerkt wird das Register erst, wenn es fehlt oder fehlerhaft ist… anderes Thema, weites Feld.)

Hier übrigens noch ein erhellender Beitrag zur Buchkalkulation: https://www.voland-quist.de/verlagsblog/buchkalkulation-was-verdienen-autor-und-verlag-an-buchern/

Aufgrund dieser Antwort kann sich nun jeder selbst ein Bild über den Preis dieses Buches machen.


Fazit

Dieses kurzweilige Buch, das aus ein paar Essays besteht, die Neil deGrasse Tyson über die Zeit zusammengestellt hat, ist ein guter Einstieg, für Leute, die wenig Zeit haben, sich in irgendeiner Weise mit Physik und Astrophysik auseinandersetzen wollen und natürlich dabei – wie es bei ihm üblich ist – noch ein wenig unterhalten werden sollen. Dieses Buch gibt einen guten Überblick darüber, was wir mittlerweile so alles über das All und seine “Bewohner” wissen, ohne zu sehr in Fachbegriffe abzugleiten oder sich in Kleinigkeiten zu verrennen. Außerdem wird auch noch ein wenig Wissenschaftsgeschichte verwoben, was das Buch für Anfänger und Fortgeschrittene auf diesem Gebiet zugänglich macht.

Allerdings muss man sich wirklich fragen, ob man ganze 17 Euro für knapp 180 nicht so eng bedruckte Seiten ausgeben will und ob einem dieser kleine Überblick dies wert ist.

Tintenkleckse_3.5

3,5 von 5 Tintenklecksen!

 

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