Die vielen Probleme in “Alte weiße Männer” von Sophie Passmann

Als jemand, der gerne und häufig im Internet über Feminismus diskutiert und irgendwie immer Tweets von Sophie Passmann in die Timeline gespült kriegt, wusste ich, dass sie ein feministisches Buch rausbringen möchte. Dies musste ich mir dann auch auf der Buchmesse zulegen. Allerdings…war ich mehr als enttäuscht:


Bibliographische Daten

  • Autorin: Sophie Passmann
  • Genre: Politik, Feminismus
  • Verlag: Kiepenhauer & Witsch
  • Übersetzerin: –
  • Seitenzahl: 228 S.
  • ISBN: 978-3-462-05246-6

Kurzbeschreibung

 »Beweis erbracht: Unbestechlichen Feminismus gibt es auch in lustig. Sogar in sehr lustig! Großartig!« Anne Will.

Sophie Passmann ist Feministin und so gar nicht einverstanden mit der Plattitüde, der alte weiße Mann sei an allem schuld. Sie will wissen, was hinter diesem Klischeebild steckt und fragt nach: Ab wann ist man ein alter weißer Mann? Und kann man vielleicht verhindern, einer zu werden? 
Sophie Passmann gehört zu einer neuen Generation junger Feministinnen; das sind Frauen, die stolz, laut und selbstbestimmt sind. Sie wollen Vorstandschefinnen werden oder Hausfrauen, Kinder kriegen oder Karriere machen oder beides. Und sie haben ein Feindbild, den alten weißen Mann. Dabei wurde nie genau geklärt, was der alte weiße Mann genau ist. Eines ist klar: Er hat Macht und er will diese Macht auf keinen Fall verlieren. Doch Sophie Passmann will Gewissheit statt billiger Punch-lines, deswegen trifft sie mächtige Männer, um mit ihnen darüber zu sprechen: »Sind Sie ein alter weißer Mann und wenn ja – warum?«

Sophie Passmann war im Gespräch mit:

Christoph Amend, Micky Beisenherz, Kai Diekmann, Robert Habeck, Carl Jakob Haupt, Kevin Kühnert, Rainer Langhans, Sascha Lobo, Papa Passmann, Ulf Poschardt, Tim Raue, Marcel Reif, Peter Tauber, Jörg Thadeusz, Claus von Wagner



Die Probleme dieses Buches

Sophie Passmann ist mittlerweile relativ bekannt. Sei es durch ihre Auftritte im NEO Magazin Royale, die Moderationen bei 1LIVE oder auch ihr Twitter Account, in dem sie sich teilweise sehr zynisch mit der deutsche Medienlandschaft auseinandersetzt. Nun hat sie, die sich selber als Feministin bezeichnet, ein Buch veröffentlicht.

Es soll darum gehen, dass der “alte weiße Mann” in Feminismusdebatten sehr häufig erwähnt wird und quasi schon reflexhaft als der Sündenbock vorgeschoben wird. Also…wer ist eigentlich ein alter weißer Mann? Und ab wann wird man so jemand? Diese Fragen – so schnell sie sich erklären lassen würden – versucht Passmann zu beantworten, in dem sie Interviews mit wem führt? Genau, mit den alten weißen Männern.

Dabei werden unterschiedliche Aspekte des modernen Feminismus anngesprochen, manchmal auch widergekäut und teilweise sich auch nur über die absolute Nicht-Ahnung dieser Männer lustig gemacht.

Und dieses Buch hat nicht nur ein Problem. Es hat unendlich viele.

Die Zielgruppe

Für wen ist dieses Buch geschrieben? Ich frage mich dies ernsthaft, denn ich komme einfach auf keinen Nenner.

Man könnte meinen, es sei für die Internetgemeinde, die eh schon mit Passmann täglich Feminismus diskutiert. Allerdings: Für diese Leute ist Passmann bei weitem nicht radikal genug, sie erzählt auch nichts neues. Sie käut Dinge wieder, die alle schon mehrfach gelesen und gesagt haben.

Dementsprechend…sind vielleicht jüngere Mädchen die Zielgruppe? Ich kann es mir eben so schlecht vorstellen, da diese mit dem Titel meist nichts anfangen können und bestimmt Besseres zu tun haben, als sich durchzulesen, wie Männer Mitte 40 ihnen erklären, wie sie diskriminiert werden. Allerdings scheint die stylische Gestaltug des Covers darauf hinzudeuten, dass es sich schon irgendwie an eine weibliche Zielgruppe richtet. Aber….Genau welches Interesse hätten diese, schon wieder nur Männern dabei zuzuhören, wie sie sich darum winden, bloß nicht zuzugeben, wie sexistisch sie sind?

Was ich beim Lesen dachte: Ach, das könnte was für die Jungs sein. Für die Jungs, die mit Feminismus nichts anfangen können, die gendern blöd finden, die lieber Männern zuhören, die generell immer genervt reagieren, wenn von Diskriminierung die Rede ist. Allerdings lesen diese Jungs/Männer eh schon wenig und würden eher den Männern in diesem Buch zu hören, als Passman, die sich meistens süffisant durch die Antworten der Männer wuselt und sie versucht zu widerlegen.

“Schlichtungsversuch”

Abgesehen davon, dass ich es generell immer für eine unfassbar dämliche Idee halte, wenn man ein Buch über Feminismus schreibt und eigentlich nur Männer reden lässt, finde ich es dämlich, dass Passmann hier ganz persönlich den Anspruch erhebt, etwas schlichten zu wollen. Ja was denn? Wollen wir das Patriarchat einfach wegschlichten mit Eierkuchen und teurem Wein?

Und wer hat bitte genau Sophie Passmann gebeten, für diese Männer, die wahrscheinlich nicht häufig mit diesen Themen konkret und auf Einzelgesprächsebene mit solchen Dingen konfrontiert werden, die Schlichtern zwischen dem Feminismus und den alten weißen Männern zu spielen?

Was für ein Schlichtungsversuch kann das sein, wenn genau eine Frau versucht, 12 Männern aus “Film, Fernsehen und dem Internet” zu erklären, wieso Feminismus so wichtig ist.

Warum besteht ein Schlichtungsversuch nicht daraus, Betroffenen zuzuhören? Warum kommen keine Frauen zu Wort? Und ich spreche noch nicht mal davon, dass keine cis-able-weißen Frauen zu Wort kommen.

Warum beinhaltet eine Schlichtung, dass man denn eh schon mit einer riesigen Plattform gesegneten Männern eine weitere Plattform anbietet, auf der sie sich nur wieder über sich selbst unterhalten können?

Weiß, weiß, weiß

Es kommt immer wieder vor, aber ich kann es auch immer wieder nur betonen: Sophie Passmann bemüht sich zwar, aber den Kern der “neuen” Sache intersektionaler Feminismus hat sie absolut nicht verstanden. Zwar will sie im Nachwort nochmal kurz davon sprechen, dass ja alle Sexualitäten und Hautfarben mitgemeint sein.

Aber. Wenn. Im. Gesamten. Buch. Nichts. Davon. Auftaucht. Werde. Ich. Sauer.

Man könnte ja sagen, dass man vor allem als Nicht-Betroffene der meisten -ismen sich diese auch nicht zu eigen machen möchte und diese daher nicht selbst mit einbringt oder in diesem Buch erstmal außen vor lassen möchte, wen das interessiert: [Hier bitte eine weiterführende Literaturliste einfügen]

ABER ES SPIELT EINFACH NIE EINE ROLLE.

Man merkt Passmann die immer wieder angedeutete Abstammung aus einem sehr gut gestellten Kreis der oberen Mittelschicht schmerzhaft an. Sie kann im Prinzip nur die Probleme der Frau in der Arbeitswelt (genauer: Im Journalismus) rezitieren, diese immer wieder aufbringen. Ach ja, und Haushalt. So wichtig.

Sie scheint gar nicht zu bemerken, dass Feminismus natürlich für sie wichtig ist, aber für andere Leute überlebenswichtig. Für Leute, die eine andere Hautfarbe haben, eine andere Sexualität, die nicht kerngesund sind, die nicht einigermaßen dem Schönheitsideal entsprechen und Transmenschen und Nonbinarys sowieso.

Natürlich kann man jetzt sagen, dass die Männer ja auch nicht davon reden. Diese Männer sind aber auch nicht so informiert wie sie. Einfach, weil sie es nie sein mussten. Und weil sie es teilweise auch nicht sein wollen. Genauso wie sie es offensichtlich auch noch nie musste.

Dementsprechend wäre es doch wohl auch einfach gewesen, dieses Buch so zu gestalten, dass auch Menschen stattfinden, die intersektionalen Feminismus sehr dringend brauchen, anstatt nur weiße Männer zu Wort kommen zu lassen. Das wäre doch mal ein Dialog gewesen!

Verblendung

Passmann scheint genau eins zu sein: Verblendet. Während sie manchmal Dinge erzählt, die Frauen peinlich offensichtlich sind, aber Männern offensichtlich erstmal auffallen müssen (Frauen sind nicht in erster Linie ein Mensch, sondern halt eine Frau, All Boys Clubs sind irgendwie doch schon nicht so geil, Quoten sind gut…oder nicht?, Gleichheit wollen, aber die zuhause nicht umsetzen ist irgendwie arschig, Alt ist ne Ansichtssache und Kai Diekmann ist schon irgendwie seltsam), fällt ihr selber erst am Ende und im Fazit auf, dass Feminismus in unserer Gesellschaft ja immer noch irgendwie gar nicht so geil angesehen wird und sehr viel weniger Leute wirklich den Diskurs sehen und mit ihm mitgehen. Erstaunt stellt sie fest, dass wir doch gar nicht so weit sind, aber man ja doch mal zuhören könne.

Ja, verdammt. Ja. Das, was alle Frauen immer durchleben und erleben ist, dass Feminismus in den meisten Augen gar nicht mal so töfte ist. Vielleicht sogar sehr schädlich. Damit haben wir alle zu kämpfen. Warum fällt das aber denn bitte erst auf, wenn man sich mit einer Machtelite an Männern unterhalten hat?


Fazit

Passmann hat sich in meinen Augen gar nicht mal so einen großen Gefallen mit diesem Buch gemacht. Es ist zynisch, witzig, nimmt auf ihre Weise ihre Gegenüber subtil auseinander, hat aber auch große Fehler. Nämlich die Interviewpartner. Eine Schlichtung kann nur zwischen zwei Seiten erfolgen und irgendwie hat man hier die falsche zu viel sprechen lassen. Außerdem erfährt man hier sehr viel mehr über das Essen, was mit den zu Interviewenden gegessen wird, als über alles andere. Für alle Foodies und Menschen, die sich irgendwie absolut gar nicht mit Feminismus beschäftigen, aber Passmann ganz lustig finden, kann ich dieses Buch empfehlen. Vielleicht lernen die Jungen ja was von den Alten weißen Männern. Hoffen wir mal, dass sie das Richtige lernen.

 

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