Himbeeren mit Sahne im Ritz – Ein faszinierendes Porträt der Goldenen Zwanziger

Eine faszinierende Kurzgeschichtensammlung, die zum ersten Mal auf Deutsch erschienen ist und in diesem Zuge auch übersetzt wurde.

Die Frau des berühmten Autoren F. Scott Fitzgerald (Jaaaa, DER F. Scott Fitzgerald!) schrieb nämlich auch, obwohl diese Geschichten meistens tragischer Weise unter dem Namen ihres Mannes veröffentlicht wurden.

Zelda Fitzgerald und ihr Ehemann waren in den Goldenen Zwanzigern, deren Mittelpunkt sich in New York und Pairs abspielte, wohl die bekanntesten Partygänger und Personen des öffentlichen Lebens.

Und genau das spiegelt diese Sammlung von Kurzgeschichten wieder.


bibliographische-daten

  • Autor: Zelda Fitzgerald
  • Genre: Literatur, Kurzgeschichten
  • Verlag: Manesse
  • Seitenzahl: 214 S.

kurzbeschreibung

Kaum jemand verkörpert den Zeitgeist der Roaring Twenties so wie Zelda Fitzgerald. Sie war der Prototyp des “Flappers”: frech, abenteuerlustig, extravagant. Das Lebensgefühl dieser Ära hat sie in bezaubernden Erzählungen eingefangen, die nun erstmals auf Deutsch zu entdecken sind.


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eigene-meinung

POSITIV

  • Abwechslungsreiche Protagonisten!

In diesem Roman begegnen uns wirklich viele außergewöhnliche Frauen. Und das sage ich ganz bewusst: Frauen sind hier einzig und allein die Protagonisten.

Und es macht verdammt viel Spaß!

Diese Protagonistinnen können alles sein: Tänzerinnen, Partypeople, glückliche Ehefrauen, Wunderschön, Allein und Introvertiert, verloren in der Gesellschaft, Rachsüchtig, Amoralisch und und und.

Und doch verbindet sie alle ein gewisser Lebensstil und eine Weltvorstellung, die in den 20ern nun mal vorherrschend war.

Durch die Protagonistinnen verbinden sich die Geschichten, denn sie zeigen alle eins: Die Möglichkeit, mit diesem Leben zurecht zu kommen, auch wenn unvorhergesehene und ungewollte Dinge passieren, auf welche Art auch immer.

Eine wahrlich schöne und sympathische Vorstellungsweise.

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  • Ein wunderschöner beschreibender Landschaftsschreibstil

Am Anfang war ich wirklich einfach nur baff. Hört euch das hier mal an:

Unbekümmert strömte der Mississippi durch die Kiefernwälder und verschlafenen Dörfer Minnesotas auf New Heidelberg zu, wild entschlossen, den dort ansässigen Ladys und Gentleman von ihren Wachfrauen, Schlachtern und Müllmännern zu trennen, die klamm und stillos am gegenüberliegenden Ufer hausten.

DAS ist wirklich bemerkenswert.

Man merkt förmlich, wie die Landschaft um einen herum lebendig wird, man spürt die Sonne, die Kälte oder eben auch die Wärmen, man sieht ganz genau vor sich, in welchem Terrain sich unsere Geschichte abspielt.

Und vielleicht ist auch gerade das so wichtig, die Klärung des Ortes, an dem alles spielt. Die Handlung spielt dabei erstmal eine untergeordnete Rolle, was eine gewisse Eindringlichkeit und Nachdenklichkeit transportiert.

I LIKE!

Eine weitere kleine Kostprobe kann ich euch einfach nicht vorenthalten:

Jeder Ort hat seine eigene Stunde: das winterliche Rom im glasigen Mittagslicht, Paris unter dem blauen Frühlingsflor der Abenddämmerung, New York mit seinen rot glühenden Häuserschluchten bei Sonnenaufgang.

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  • Eine gewisse Eigen- und Selbstironie

Man merkt bei den meisten Geschichten ganz klar, dass sie sowohl aus einer weiblichen Perspektive heraus geschrieben wurden, als auch, dass damit ganz klar Zelda Fitzgerald gemeint ist.

Sie berichtet manchmal mit einer so bissigen Ironie, dass es fast schon an schwarzen Humor erinnert. Manche liebevoll aufgebauten Charaktere werden durch eine kleine ironische Bemerkung bewertet und für ihre Taten getadelt.

An anderen Stellen schimmert allerdings auch eine gewisse Selbstironie mit, die zeigt, dass sie nicht nur anderen Menschen und ihren Handlungen gegenüber kritisch eingestellt ist, sondern auch sich selbst und ihren Handlungen.

  • Die Wort- und Weltgewandtheit der Erzählerin

Eine Erzählerin, die ganz klar schon durch die ganze Welt gereist ist, und ihre Figuren exakt dasselbe tun lässt, ist sehr faszinierend.

Wenn dann von Los Angeles, New York, Paris, London, der Südküste Frankreichs, verschiedenen amerikanischen Staaten und Italien die Rede ist, wird dem Leser vor Fernweh das Herz unglaublich schwer.

Und das war wunderschön.

Ganz zu schweigen von den vielen Leuten, die bekannt oder befreundet sind. Die Welt an sich schien auf ein Minimum zu schrumpfen und jeder schien jeden zu kennen.

Diese Weltgewandtheit spiegelte sich auch in der Wortwahl wieder, welche verschiedene Einflüsse aus der ganzen Welt aufweist und sich nahtlos aneinanderschmiegt.

  • Die Charakterisierung und Beschreibung der Protagonisten

Auch wenn die äußerlichen Beschreibungen irgendwie immer an der Oberfläche bleiben, sind manche Sätze einfach wunderschön und spiegeln ein Weltbild wieder, welches nicht nur eindrucksvoll, sondern auch sehr schön mitzuerleben ist.

Manchmal werden die Protagonistinnen wie ein außerirdisch schönes Wesen beschrieben, allerdings bleibt die eigentliche Beschreibung dabei im Hintergrund und nur die Kombination der Worte löst ein Gefühl aus, dass einem sagt, dass diese Person besonders ist und diese Beschreibung total verdient hat.

Diese Beschreibungen reißen natürlich auch aus dem normalen Lesefluss raus, aber sie sind mit das beste an der Geschichte, weil man sich danach sehnt, ähnlich beschrieben zu werden, oder beschreiben zu können.

dav

NEGATIV

  • Charaktere bleiben zu flach (Ihr Innenleben bleibt unbekannt)

Die Charaktere an sich durchleben eine Handlung, handeln auch selbst, werden Spielbälle von mächtigeren Charakteren oder sind ganz einfach passiv.

Allerdings wird von ihrem Innenleben und ihren Gefühlen sehr wenig bekannt. Wirklich gar nichts.

Meistens bleiben die Charaktere trotz toller Beschreibungen und Charakterisierungen in ihren eigenen Geschichten flach und unbedeutend, als wären nicht die Personen das Wichtige, sondern das, was ihnen zustößt.

  • Manche Geschichten ziehen sich trotz ihrer Kürze

An manchen Stellen zogen sich die Beschreibungen, die verschiedenen Gespräche oder auch einfach nur die Philosophie ein wenig, auch wenn es nur an die 200 Seiten insgesamt und an die 20 pro Kurzgeschichte.

Allerdings haben manche Wiederholungen, Erzählungen und Ausschweifungen weder ins Gesamtkonzept, noch zur Geschichte selbst gepasst.

dav

  • Gedankensprünge an manchen Stellen einfach zu schnell und zu abrupt

An manchen Stellen musste ich wirklich zurückfahren, noch mal zwei Sätze neu lesen und hatte dann auch erst so ungefähr verstanden, worum es denn ungefähr ging.

Denn Zelda Fitzgerald vollführt die absurdesten und abruptesten Gedankensprünge, die ich je gesehen habe und das auch manchmal mitten im Absatz, sodass es einem erst im näheren Lesen auffällt.

Diese machten das Lesen manchmal schon etwas schwieriger.

fazit

Ein literarisch höchst interessantes und sprachlich sehr schön gestaltetes Büchlein mit allerlei Kurzgeschichten, die nicht nur das Leben des wohl bekanntesten Ehepaares ihrer Zeit darstellen, sondern auch den Zeitgeist der Roaring Twenties. Trotz der wundervollen Sprache und eingehender Charakterisierung, waren mir die Sprünge manchmal zu abrupt, die Charaktere selbst bleiben im Hintergrund und an manchen Stellen langweilte es ein wenig. Ansonsten sind es aber tolle Kurzporträts von faszinierenden und emanzipierten Frauen.

Tintenkleckse_3.5

3,5 von 5 Tintenklecksen!

 

One Comment

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