“Offline ist es nass, wenn’s regnet” von Jessi Kirby | Rezension

Neulich startete der Loewe-Verlag eine große Aktion für viele Blogger, die sich um dieses Buch dreht: Ein Digital-Detox Roman, in dem eine junge Instagrammerin sich dazu entschließt ihre Online-Präsenz wegzuwerfen und in der Natur wandern zu gehen. Natürlich ist das nicht ihre einzige Motivation, die muss man sich dann erlesen. Die Challenge ging darum, seinen Social Media “Genuss” zu beschränken. Ich war sehr schnell angefixt. Und durfte dann ein Buch lesen, was mich nur sprachlos zurück ließ. Und nicht vor Freude.


Bibliographische Daten

  • Autorin: Jessi Kirby
  • Genre: Jugendbuch, Wandern, Digital-Detox
  • Verlag: Loewe
  • Übersetzerin: Anne Brauner
  • Seitenzahl: 331 S.
  • ISBN: 978-3-7432-0377-8

Kurzbeschreibung

Stell dir vor, du öffnest an deinem 18. Geburtstag die Haustür und dort liegt ein Geschenk: ein riesiger Wanderrucksack, ein Paar Wanderschuhe und ein Trailtagebuch für den Yosemite-Nationalpark. Würdest du loslaufen?

Mari entscheidet sich genau dafür, obwohl sie noch nie mehr als zehn Schritte zu Fuß getan hat. Von heute auf morgen tauscht sie Smartphone und Social Media gegen schneebedeckte Berge, reißende Flüsse und Blasen an den Füßen, aber auch gegen Sonnenaufgänge wie aus dem Bilderbuch, warmherzige Begegnungen und mutige Entscheidungen – denn der Yosemite verändert jeden.


Vielen Dank an den Loewe-Verlag für das unangeforderte Rezensionsexemplar!



Eigene Meinung

POSITIV

  • Tolle Beschreibungen der Natur und des Wanderns

Während Mari so durch die Wälder wandert werden immer wieder tole Landschaften des John Muir Trails beschrieben, den Mari abwandert. Dort finden sich tolle szenische Beschreibungen von Bergen, Wäldern, weiten Landschaften, steinigen Passagen, schönen Wiesen, dem klaren Sternenhimmel und natürlich der wunderbaren Aussicht die die beiden immer wieder erwartet. Diese Beschreibungen haben zum Teil sehr sehnsüchtig nach besserem Wetter und einem Ausflug in die Natur gemacht!

  • Geschichte des Verlusts der Cousine

Die Grundidee des Buches ist, dass Mari mit dem Abgang des Trails das vollendet, was ihre Cousine nicht geschafft hat, da sie bei dem Training für diesen sehr anspruchsvollen Trail gestorben ist, da sie einmal unglücklich ausrutschte. Mari will sie auf die Reise mitnehmen und nimmt deswegen ihr Wanderequipment und macht sich auf die Reise. Mehrmals wird die Trauer angesprochen und Mari redet immer von Zielen, die sie zu zweit erreicht haben und fotografiert auch nicht sich selbst, sondern die Wanderschuhe ihrer Cousine, so als könnte sie genau dort stehen. Ein gut erdachtes Konzept!

NEGATIV

  • Eine einzige Predigt gegen Social Media

Kennt ihr diese Momente, in denen eure Großeltern oder Eltern oder sonstige Personen, die etwas älter sind, darüber wettern, wie sehr die Jugend verdummt, wenn sie immer nur drinnen sitzen und auf Bildschirme starren und dass man früher ja noch zum Spielen nach draußen gegangen ist und alles viel besser war? Tja, genau das ist dieses Buch. In einem total übertriebenen Ton denkt Mari dauernd darüber nach, dass sie ALLES auf Instagram nur gefakt hat, wie schlecht ihr das alles tat, wie besser es ist, absolut abgeschnitten davon zu sein und wie sehr man LEEEEEBT, wenn man doch einfach nur in der Natur lebt. Versteht mich nicht falsch, ein bisschen weniger Social Media würde uns allen wahrscheinlich ganz gut tun, aber so dagegen zu wettern, nicht mal ansatzweise positive Effekte aufzuzeigen und als Gegenargument bringen, dass alles andere als ständig Abenteuer erleben langweilig, öde und einfach nur völlig ekelhaft ist? Nicht mit mir. Ich brauche niemandem, der mir erzählt, dass man Abenteuer erleben soll, anstatt jeden Tag dasselbe zu machen. Diese Sichtweise kann man sich dann leider aber auch nur leisten, wenn man sich um Miete, Essen und sonstige Kosten keine Gedanken machen muss. Wenn man nicht wichtig findet, wie man ausgebildet ist. Und wenn man die Abenteuer nicht selbst bezahlen muss. Nichts davon findet in diesem Buch statt und ihr wisst gar nicht, wie sehr mich das auf die Palme gebracht hat.

  • Keine Beschäftigung mit dem Selbst, sondern mit einer austauschbaren Freundesgruppe

Ich hatte erwartet, dass Mari dieses Abenteuer alleine besteht. Sich mit sich selbst und ihrer Sucht nach Social Media auseinander setzt. Dass erklärt wird, wie anstrengend das ist. Und nicht nur: Es ist anstrengend, aber ein Anblick entschädigt alles! Bullshit. Ich hatte erwartet, dass Mari ab und zu Leute trifft, sich ein wenig mit ihnen unterhält und ansonsten viele Gedanken dazu folgen, wie Social Media sie veränderte und wie der Entzug sich nun im Kontrast anfühlt. Stattdessen trifft sie recht zügig auf eine Gruppe von Freunden, schließt sich denen an und wird von denen quasi nur mitgezogen, anstatt das Ganze alleine zu erledigen. Und sowohl die Trauer als auch der Digital Detox Aspekt gehen vollständig flöten.

  • Eine unnötige Liebesgeschichte

Ach ja. Einen Love Interest gibt es auch noch. Josh oder Jake. Hab seinen und alle aus der Freundesgruppe schon wieder vergessen, weil sie wirklich mehr als austauschbar waren – vom Namen und vom Charakter her. Ich finde es so unnötig, diese mit einzubringen, denn sie wird nicht vernünftig ausgebaut, sie reden ein paar Mal miteinander, küssen sich einmal kurz und sonst nix. Da hätten sie auch gute Freunde sein können. Es hat absolut keine Plotrelevanz und warum existiert es dann bitte?

  • Die Handlungen der Protagonistin sind ganz ganz große Grütze

Ich will ja darüber hinwegsehen, dass Mari so einen schwierigen Trail ALLEINE UND OHNE TRAINING macht. Aber ich kann einfach nicht. Sie hat am Anfang der Reise noch nicht mal eine Ahnung davon, wozu das ganze Zeug im Rucksack ihrer Cousine gut ist und schafft es irgendwie tatsächlich, diesen Pass zu meistern. FÜR DEN IHRE COUSINE TRAINIERT HAT UND DABEI GESTORBEN IST. Mari meldet sich nicht bei ihrer Mutter. Einmal vielleicht. Ich als Mutter würde absolut ausrasten und mindestens drei Suchtrupps losschicken. Auch denkt Mari oft daran, dass ihre Cousine dieses und jenes sicher getan hätte und überwindet sich dann, auch diese Gefahren durchzustehen. So weit, so gut. Bis einem auffällt, dass ihre Cousine durch genau diesen Leichtsinn gestorben ist. Durch ihre Abenteuerlustigkeit. Und dann fragt man sich prompt, warum die Protagonistin eigentlich so handelt. Die ganze Zeit wird die Cousine als große Heldin dargestellt, die durch einen tragischen Unfall gestorben ist und ja, das stimmt irgendwie. Aber daraus schließen, dass man sie an Gefährlichkeit übertrumpfen muss? Nope, nope, nope.

  • So. Viel. Unnötiger. Pathos.

Wie schon gerade erwähnt: Dieses Buch trieft vor unnötigem Pathos. Ich konnte am Anfang eine beliebige Seite aufschlagen und mich mit meinem Freund darüber kaputt lachen, was denn da für eine schnulzige Rede gegen Social Media oder für die Freiheit der Natur stand. Immer wieder bin ich darüber gestolpert, wie wenig Ahnung die Autorin von dem ganzen Thema zu haben scheint und wie sehr sie wohl einfach nur sagen wollte: “SOCIAL MEDIA IST BÖSE UND JETZT GEHT RAUS SPIELEN!” Eine sehr sehr komische Wahl des Schreibstils.

  • Was soll mir das Buch mitgeben?

Die große Frage, die sich mir am Ende stellte, war: Was soll ich jetzt damit? Man könnte natürlich mitnehmen, mehr in die Natur zu gehen. Aber: Die Message, dass nur das das einzig Wahre ist, gilt a) nicht für alle Menschen und ist b) einfach nur unerreichbar, weil wir alle nun mal arbeiten oder lernen müssen, Kosten haben, die gedeckt werden müssen. Und wenn ich mir die Message zu Social Media ansehe, entdecke ich nur ein: Raubt dir ganz und gar deine Seele und lässt dich zu einem schlechten Menschen werden. Thanks, i guess?


Fazit

Dieses Buch sollte mir eigentlich gefallen. Ich mag den Gedanken von Digital Detox und mag auch die Natur eigentlich sehr gerne. Allerdings hat mich nicht nur die Geschichte an sich ratlos zurück gelassen, sondern auch, was ich eigentlich aus diesem Buch mitnehmen soll. Die konstante Predigt gegen Social Media und die nachfolgende Anpreisung von allem, was man so in der Natur finden kann, war mir persönlich einfach keine gute Lösung, anstatt herauszuarbeiten, wie ein moderner und verantwortungsbewusster Umgang mit Social Media aussehen könnte. Zusätzlich noch zu viel Pathos, zu wenig Spannung und einfach nur Langeweile, sodass ich diesem Buch leider nur 1,5 Tintenkleckse geben kann.

 

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