Rezension: “Ivory & Bone” von Julie Eshbaugh

“Stolz und Vorurteil” in einem prähistorischen Setting mit Mammuts und Clans und die weiblichen und männlichen Rollen sind vertauscht?

Wie genial klingt das denn?

Genau das dachte ich mir, als ich erfahren habe, dass dieses Buch erscheint! Und ich habe mich total darauf gefreut, da die Kritiken von der anderen Seite des Atlantik genial gut ausfielen und das Cover mich sehr anspricht.

Als ich es aber gelesen habe, vielen mir quasi die Schuppen von den Augen und das Herz rutschte mir in die Hose.

Wieso? Meine Rezension erklärt es:


Bibliographische Daten

  • Autor: Julie Eshbaugh
  • Genre: Fantasy, Jugendbuch
  • Verlag: Fischer Sauerländer
  • Seitenzahl: 359 S.

Kurzbeschreibung

Naturgewalten, verfeindete Clans, Betrug und Verrat – und eine Liebe, die all das überwindet

Kol verliert sein Herz an Mya, als er sie zum ersten Mal sieht. Alle erwarten, dass sie ein Paar werden und so die Zukunft ihrer Clans sichern. Doch Mya gibt sich unnahbar, ebenso glatt und hart wie der Elfenbeinanhänger, den sie um den Hals trägt. In ihrer Zeit werden Verbindungen ohnehin nicht aus Liebe eingegangen: Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben, jedes Bündnis ein strategischer Zug. Als zwischen den Stämmen Gewalt ausbricht, muss Kol sich entscheiden, auf wessen Seite er sich schlägt, um sie alle vor dem Schlimmsten zu bewahren…


Vielen Dank an den Fischer Sauerländer Verlag für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplares!


Eigene Meinung

POSITIV

  • Mya – Ein Herz aus Eis und eine starke Frau der Steinzeit

Der weibliche Part dieser Geschichte ist wirklich ein Mr. Darcy, wie er aus dem Buche stammt: Dunkel, geheimnisvoll, intelligent, absolut einzelgängerisch, nie zu oft an einem Ort und generell einfach nur undurchsichtig.

Dazu kommt, dass Mya in den ersten Seiten einfach mal so einen Säbelzahntiger erlegt, Kol keines Blickes würdigt und niemals im Buch ihre Prinzipien verrät, die Liebe nicht über ihre Verantwortungen stellt und außerdem ihren Clan und ihre Familie beschützt, egal was los ist.

Mya war die einzige Figur, die ihrem Original aus Jane Austens Romanen gut nachkam und nicht nur ein billiger Abklatsch war. Aber mehr dazu gleich.

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  • Sanfte Liebesgeschichte

Wie in “Stolz und Vorurteil” ist es auch hier so, dass die Liebesgeschichte eher so im Hintergrund köchelt, die beiden sich zuerst absolut nicht ausstehen können, aber irgendwann doch verstehen, dass sie sich eigentlich doch ganz gerne mögen.

Dass diese Geschichte nicht so im Vordergrund steht und beiden Protagonisten sichtlich schwer fällt, aber dann auch gut tut, dass ist eine sehr gute Sache und sendet genau die richtige Message: Es geht auch anders, ihr müsst nicht alles vergessen, nur weil ihr euch mal verliebt.

  • Die Gedankenwelt von Kol

Kol ist ein Sohn der Steinzeit und ältester Sohn des Clanführers. Seine Sicht auf die Welt war sehr spannend mitanzusehen, ich hatte immer wieder Spaß mit ihm und seinen Gedanken darüber, wie sich die Natur verhält, dass er sanft zu Tieren sein wollte, seine Familie und seine Brüder beschützen wollte und generell zu gleichen Teilen in der Realität und in seinen Träumen lebt.

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NEGATIV

  • Diese verdammte Erzählperspektive!

Ok, ich hatte ja gehofft, dass es nicht unbedingt so bleibt, nachdem ich den Prolog las, indem aus der Ich-Perspektive berichtet wurde, was ja an sich nichts Schlimmes ist.

Was für mich allerdings sehr viel des Leseerlebnisses geschmälert hat, war Folgendes: Das Buch ist durchgängig eine erzählte Geschichte, in der Kol erzählt und Mya als Du darstellt.

Also wird Mya nicht als Mya bezeichnet, sondern als “Du”.

Was dann ungefähr so aussieht:

In der Höhle ist es so dunkel, dass du nicht zu erkennen bist. Dein Blut aber kann ich riechen.

Das sind die ersten beiden Sätze! Und das geht quasi das ganze Buch über so! WHY?

Was bringt es dem Leser, außer der Fixierung der Geschichte auf Mya und Kol? NIX!

Was nimmt es dem Leser? Jeglichen Spaß an dieser Geschichte! Warum, warum, warum? So eine Art der Erzählperspektive gefällt mir wirklich überhaupt gar nicht.

  • Steinzeit? Fühlt sich nicht so an!

Diese Geschichte spielt in der Steinzeit. Und ich hoffe einfach mal, dass die Autorin sehr viel Recherche betrieben hat, um die damaligen Lebensweisen herauszufinden, das will ich ihr auch gar nicht absprechen.

Was ich ihr aber abspreche, ist, dass sie dieses Setting nicht zum Leben erweckt.

Man erfährt zwar etwas über das Leben in Clans, über Mammuts, Säbelzahntiger, die Hütten und Lebensweisen und die Suche nach Honig, aber das Lebensgefühl war dasselbe wie es auch in unserer Zeit ist. Ich habe mich in keine andere Gedankenwelt versetzt gefühlt, sondern in meine. Nur in einem anderen künstlichen Setting.

Es reicht eben nicht, die verschiedenen Dinge zu benennen, die stattfinden, diese müssen auch mit Leben gefüllt werden.

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  • Ausufernde Beschreibungen, wo sie absolut nicht nötig sind

Wir gehen Kanu fahren, aber wir gehen nicht einfach nur Kanu fahren, sondern wir gehen über 10 Seiten gegen Wind, Wellen, Gedanken und eingefrorene Hände kämpfen.

Wir gehen Mammuts jagen, aber wir gehen nicht einfach nur Kanu fahren, sondern wir gehen über 10 Seiten, schleichen, weiter schleichen, verständigen, Mya bewundern, Mammuts bemitleiden

Und und und. Mich haben Spaziergänge über Felsklüfte, Bienen suchen gehen oder Felle klöppeln mehr so gar nicht interessiert, da sie nur so wirkten, als wollte man sie einwerfen, weil die Menschen das damals ja so taten. Sie erfüllen aber in dieser Ausführung absolut keine Funktion, was sie absolut überflüssig macht.

  • Charaktere bleiben blass und dem Leser fern

Wir haben so viele Charaktere, mit so vielen coolen Namen in diesem Buch: Kol, Mya, Seeri, Pek, Kesh, Shava, Lo und Chev.

Aber so cool ihre Namen auch sind, sie selber bleiben seltsam blass. Der eine bekommt halt einen Speer in die Hand gedrückt, der andere eine Flöte und die anderen sind halt Mädchen, die so dabei sind.

Wir haben so viele Konfliktpotenziale, die nicht ausgeschöpft werden, so viele Charaktere, die nicht ausgebaut oder auch nur angerissen werden, so viele Dinge, die dem Leser verborgen bleiben, obwohl man doch gerne mehr wissen würde!

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  • Der Plot

Zu viel und zu wenig in einem. Erst passiert gar nichts, dann in den letzten Seiten alles auf einmal, dann zu hastig abgearbeitet und doch wieder zu lahmarschig erzählt.

Der Plot und die Erzählweise sind voller Gegensätze, die sich allerdings weder ergänzen, noch einen Kontrast erzeugen. Denn sie ermüden den Leser eigentlich nur und zeigen ihm, wie sehr er gerade seine Zeit vergeudet.

Dieser Plot war absolut nicht gut ausgearbeitet und noch schlechter umgesetzt.


Fazit

Dieses Buch hat ein geniales Setting, eine geniale Idee – und wirft das alles einfach auf den Müll. Angefangen von einem langsamen Geschichtsverlauf, über den zu ausufernden Schreibstil, bis hin dazu, dass man sich absolut nicht fühlt, als wäre man in der Steinzeit, macht dieses Buch vieles falsch. Die Gedankenwelt der Charaktere und die sanfte Liebesgeschichte sind leider die einzigen Pluspunkte, die ich vermerken kann und viele starke weibliche Persönlichkeiten.

Aber der Plot war zu kurz und zu volllgestopft, dabei viel zu langsam, die Kapitel wirkten nicht übergehend, sondern aneinander geklöppelt und die Charaktere kamen einem über die ganze Geschichte nicht näher.

Tintenkleckse_2

2 von 5 Tintenklecksen!

 

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