Starke Frauen in YA | Celaena Sardothien

Angeregt von Aurelia und ihrem Beitrag über die Diskussion über Gender und Feminismus in YA möchte ich mich heute der Frage widmen, die immer mal wieder aufflammt, aber noch nie so richtig ausdiskutiert wurde:

Ist Celaena Sardothien eine starke Frau?

Wer Celaena nicht kennt: Sie ist die Protagonistin der Erfolgsreihe “Throne of Glass” und erntet immer wieder Lob und Kritik gleichermaßen, mal, weil sie einen neuen Typ Frau in der Literatur darstellen soll, mal, weil sie alte Typen nur im neuen Gewand wiederbringt.

Dieser Beitrag wird sich allerdings nicht nur mit ihr selbst beschäftigen, sondern auch noch mit der Frage, was denn überhaupt eine “starke” Frau ist und wie wir über diese in der Kritik reden sollten.

(Und da ich Celaena in ihrer gesamten Entwicklungsgeschichte betrachten werde: SPOILER EN MASSE! VORSICHT! Aber es ist auch nach den einzelnen Büchern aufgeteilt, also könnt ihr sehr einfach überspringen, wenn ihr diese noch nicht gelesen habt.)


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Das Problem

Der Feminismus hat es in der YA allerspätestens seit Twilight und seiner Mary Sue Bella Swan sehr schwer. Da wurde die allerneueste Bewegung natürlich angepriesen: Kämpfende Frauen, Assassinen, Kriegerinnen, Bogenschützen, nicht schutzlose kleine Prinzessinnen. Der Archetyp dieser Bewegung und auch der Aufhänger, der im Artikel auf Geekgeflüster verwendet wird, ist dabei Celaena Sardothien aus der berühmten “Throne of Glass”-Reihe von Sarah J. Maas. Sie ist stark, schnell, arrogant, wunderschön, eine berüchtigte Assassinin und noch einiges mehr.

Allerdings ist in den Beiträgen, Rezensionen und Bewertungen oft davon die Rede, dass sie eine “starke Frau” sei. Ob das berechtigt ist, werden wir uns gleich anschauen, aber meist wird dieses Argument davon gestützt, dass Celaena eben kämpfen kann. Das wars. Keine weitere Ausführung. Aber muss eine Frau denn kämpfen können, damit sie stark ist? Und sind alle anderen Frauen deswegen schwach?

Was einen starken Charakter ausmacht sind nicht seine Kampfkünste, sondern die Weise, wie er sich in seiner Welt behauptet und mit seinen gegebenen Charakterzügen die Welt und Charaktere um sich herum formt und beeinflusst. Und eine literarische Frau ist kein Wunderkind des Feminismus, wenn sie dann doch wieder auf das Anhimmeln von Bauchmuskeln reduziert wird.

Warum Celaena für mich aber trotzdem immer und überall eine starke Frau war, die einen starken Charakter aufwies und ihre Welt wie niemand anders formt, das erkläre ich jetzt:


Throne of Glass

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In diesem ersten Band haben wir es ziemlich schwer, die Aspekte der “starken Frau” zu finden. Denn Celaena ist arrogant, sie tritt mit allen Frauen um sich herum in den Wettstreit und sieht sie als Rivalinnen, sie kümmert sich großteils um ihr Aussehen, dass sie ihre alte Schönheit zurück erlangt und fällt in die Falle des fiesen Liebesdreiecks. Zwar entkommt sie den Salzminen von Endovier, was vor ihr noch niemand schaffte, sie scheint sich damit aber kaum bis gar nicht auseinanderzusetzen. Sie bekämpft reihenweise Männer, um der Champion des Königs zu werden, ignoriert aber immer wieder Hinweise und Prophezeiungen von (weiblichen) Charakteren, um diesen erst nach dem Anhimmeln des Prinzen oder seines besten Freundes nachzukommen.

Sie ist auf jeden Fall stark im physischen Sinne, da sie klettert, rennt, schießt, kämpft. Sie ist auch ein Vorbild, da sie zeigt, dass es sehr wohl geht, dass man kämpfen kann und sich gleichzeitig für Bücher, Schokolade und schöne Kleider interessieren kann.

In ihrem Liebesleben ist sie allerdings ein einziges Desaster und verfällt in nachhechelnde Muster einer Bella Swan.

Man kann sagen, was man will, aber Celaena ist viel zu arrogant in diesem Band, um sympathisch für die meisten zu sein. Für mich nicht, ich habe sie geliebt. Aber um ein starker Charakter zu sein, muss man sie eben nicht sympathisch finden.

Allerdings gibt es in diesem ersten Band noch sehr viel Potenzial, sie ist noch niemand, dem ich völlige Charakterstärke zusagen würde. Noch nicht. Man muss dabei bedenken, dass sie eben erst 17 ist.


The Assassins Blade (Vorgeschichte)

Maas_Throne of Glass_Celaenas GeschichteDie Vorgeschichte erzählt von Celaenas Kindheit und wie sie unter dem König der Assassinen Arobynn Hamel aufwuchs. Sie fand ihre erste Liebe Sam und ihre erste Feindin – Lysandra.

Sie ist ein kleines Kind, welches sich durchkämpfen muss, ein Kind von gerade 15 und 16, welches trotzdem Männer töten und ihr Leben in Gold abbezahlen muss. In dieser Situation trotzdem noch als die allerbeste hervorzustechen ist bewundernswert.

Ihre Arroganz und ihr Sarkasmus sind noch nicht so ausgebildet, aber in diesen Geschichten sieht man zum ersten Mal auch, dass es ihr auch möglich ist, die Aktionen, die sie in “Throne of Glass” nur fantasierte, auch durchzuführen.

Ihre Liebe zu Sam zeigt, dass sie auch emotional stark ist, sich nicht von Arobynn davon abbringen lässt und zu ihm steht. Auch hier gibt es kleine Momente, in denen sie absolut nicht glänzt – sie feindet sich aus Prinzip mit Lysandra an, anstatt sich mit ihr zu verbünden, sie flirtet mit den verkleideten Dorian und Chaol.

Aber es gibt einen entscheidenden Moment: Sie hilft einer Heilerin, die in Not gerät und vertreibt Räuber und lehrt sie danach die ganze Nacht, wie man sich verteidigt. Es zeigt, dass Celaena doch Freundschaften zu weiblichen Charakteren eingehen kann, sich um diese sorgt und kümmert. Die kürzeste Geschichte, aber doch die, die am meisten für ihre Entwicklung getan hat.


Crown of Midnight aka Kriegerin im Schatten

Maas_Throne of Glass_2_Kriegerin im Schatten_TB.jpgUnd jetzt geht es erst richtig los: Celaena ist Champion des Königs. Aber anstatt seine Feinde umzubringen, täuscht sie deren Tode nur vor. Sie hintergeht den höchsten Machthaber.

Gleichzeitig freundet sie sich mit Nehemia an, was zu ihrer besten Freundschaft mit einem weiblichen Charakter wird. Was sie als Mensch auch weiterentwickelt, da sie selbst zugibt, noch nie eine Freundin gehabt zu haben.

Auch entwischt sie diesem verfluchten Liebesdreieck, in dem sie sich auf eine Beziehung mit Chaol einlässt. Allerdings ist auch diese mehr auf seine Muskeln fokussiet, allerdings nimmt das rückständige Denken hier großteils ab, sie wird emotional und öffnet sich ihm.

Als Chaol entführt wird, zeigt Celaena zum ersten Mal so richtig, zu was sie fähig ist. Es ist einer der großen Momente in dieser Reihe, da sie, um Chaol zu retten, alles und jeden niedermäht, wortwörtlich aus der Dunkelheit kommt und sich auf ihre Feinde stürzt. Wer hier auch als Leser nicht wenigstens ein bisschen Angst hatte, hat nicht verstanden, was gerade vor sich ging.

Der Tod Nehemias am Ende, sowohl die schreckliche Situation, als Chaol herausfindet, dass sie eine Fae ist, nimmt ihr jeden Mut zu leben. Sie wird kratzig, schlägt um sich, will niemanden sehen, zeigt Emotionen und wird zumindest ein wenig von ihrer Allmacht gelindert.

Als sie mit Chaols Ring am Finger wegsegelt, um den Assassinen-Auftrag für den König zu erfüllen, erfolgt der größte Schnitt in der Reihe und auch in ihrer Persönlichkeit.


Heir of Fire aka Erbin des Feuers

Maas_Throne of Glass_englisch_3_Heir of Fire_ukDieses Buch besiegelte es für mich, dass Celaena meine absolut liebste weibliche Heldin aller Zeiten sein wird. Besiegt, geläutert und absolut am Boden angekommen kommt sie an den Hof von Maeva und wird von Rowan Whitethorn trainiert. Dem Fae-Prinzen, der so stumm ist und sie nicht besonders gut leiden kann.

Und hier ist es alles andere als Muskelgestarre und Fokus auf dem wunderschönen Gesicht von Rowan. Durch das Training und das Meditieren formt sich aus Celaena langsam jemand heraus, der vorher nur versteckt zum Vorschein kam. Sie und Rowan freunden sich an, erzählen sich die verwundbarsten Teile voneinander, aber dies auch nur nach einiger Zeit des Aufbaus und unzähliger falscher Worte. Die beiden gehen ein sehr viel tieferes Band ein, als man es je bei Celaena gesehen hätte. Passend dazu, dass sie alle ihre Bande hinter sich lässt und eine komplett neue Persönlichkeit bekommt, nimmt sie auch ihren alten Namen an: Aelin Ashryver Galathynius.

Die Ereignisse am Ende, die Aufgabe die beide füreinander leisten, der Bund, der als Freunde geschlossen wird, die Tatsache, dass Rowan und Celaena sich eben doch noch nicht näherkommen, das alles spricht für eine der am besten geschriebenen Liebesgeschichten aller Zeiten. Sie freunden sich erst an und bilden eine Freundschaft, die so tief ist, dass sie gar nicht anders können, als sich wiederzusehen.

Denn auch am Ende ist nicht klar, ob sie nun zu Chaol oder Rowan zurückkehrt. (Was nicht bedeutet, dass ein neues Liebesdreieck aufflammt, ganz und gar nicht, aber die Fans waren sich sehr uneinig!)


Queen of Shadows aka Königin der Finsternis

Maas_Throne of Glass_4_Königin der Schatten_TBDer vierte Band der Reihe zementiert Aelins neue Rolle als die Königin von Terrassen, auch wenn es großteils in Rifthold spielt.

Gerade die Story um Aelin, wie sie ihren formaligen Meister Arobynn tötet und daraufhin die Gilde der Assassinen besitzt, ist einmalig und zeigt, wie sehr sie sich nun über all ihre Wettstreiter erhebt.

Sie spricht mit Chaol, ist dort kalt und arrogant, man merkt, wie sehr sie sich verändert hat, merkt aber auch, dass ihre jugendlichen Aspekte langsam schwinden, sie sich nicht mehr auf kleine Gefechte einlässt und ernster wird. Diese Wandlung nimmt ihr endgültig alles, was man an ihr als “schwach” kritisieren könnte.

Ebenfalls ist eine große Aufgabe, Dorian aus der Dunkelheit zu retten, was Celaena allein aus Freundschaft zu ihm und Chaol tut, was beweist, dass sie komplexe Handlungsmuster besitzt, die sie ebenfalls stärker machen, als Person stärken ud sie wachsen lassen.

Auch lässt sie sich endlich auf Rowan ein, die beiden lassen es sehr langsam angehen, man merkt, dass sich diese Freundschaft erst in eine romantische Beziehung umwandeln muss. Aber gerade dieser emotionale Wandel, der sich eben nicht einfach wegschieben lässt.

Gerade am Ende des Buches wird klar: Es ist das bisher beste Buch, die Story und die zusätzlichen Charaktere werden noch viel komplexer und es könnte sein, dass Aelin nicht nur endlich wieder eine Familie hat, sondern auch noch alte Feinde und Freunde.

Aelin ist nun eine Königin mit einem Hofstaat hinter ihr, eine Königin ohne Königreich, die in sämtlichen Legenden und Märchen mehr als genug Platz haben würde. Sie ist die stärkste Persönlichkeit, von der ich je das Vergnügen hatte zu lesen.


Empire of Storms

Maas_Throne of Glass_englisch_5_Empire of Storms_2Im fünften und bisher letzten veröffentlichten Band bildet sich eine Freundschaft zwischen Lysandra und Aelin – den früheren Feindinnen, Aelin lernt, was es heißt, ein Land wieder erobern zu wollen und kehrt an ihre Wurzeln zurück. Sie erforscht ihre Magie weiter und die Geschichte rollt und rollt mit den anderen Charakteren weiter.

Die Entscheidung und Enthüllung, dass Rowan ihr Mate ist und die endgültige Entscheidung, ihn zu heiraten, ihn zum König von Terrassen zu machen und ihm die Regentschaft für Notfälle zu übertragen, hat garantiert viele geschockt, mich eingeschlossen.

Viele kritisierten, dass Rowan mehr als Aelins Hündchen agiert, als ein Gefährte. Das habe ich manchmal auch zu bemängeln gehabt, Aelins Persönlichkeit scheint einfach einen sehr großen Teil ihrer Beziehung auszumachen. Aber das ist auch mal ok, da wir es sonst eigentlich nur andersherum wahrnehmen. Was es natürlich nicht “normal” macht, unterschiedlich verteilte Machtverhältnisse in einer Beziehung zu haben, aber diese wurden durch die Hochzeit aufgelöst, die Rowan nicht nur zum Gefährten der Königin, sondern zum König macht, ihrem gleichgestellten Gegenstück.

Auch ihre Entscheidung ganz am Ende ist eine, die viele schockte, aber nur beweist, wie weit sie bereit ist zu gehen. Für ihre Freunde, ihr Königreich und das Schicksal der gesamten Welt. Aelin hat zu diesem Zeitpunkt meiner Meinung nach nichts mehr als Verehrung verdient.


AB HIER SPOILERFREIE ZONE! KEINE ANGST!


Warum “starke Frau” nicht wörtlich zu nehmen ist

Was sehen wir daraus? Celaena ist von Anfang an “stark” – physisch gesehen. Psychisch ist sie angeknackst, sie streitet sich mit allem, was weiblich ist und hechelt gleich zwei Männern hinterher. Trotzdem ist sie auf ihre Weise stark, schert sich nicht um Vorurteile gegenüber Frauen, haut alle Männer um und behält sich selbst meist unter Kontrolle. Auch wenn man sie nicht lieben muss oder gar sympathisch finden muss – Sie ist stark. Im wörtlichen und übertragenen Sinne. Und das, ob sie kämpfen kann oder nicht.

Frauen müssen nämlich nicht kämpfen können, um starke Charaktere zu sein. Warum auch? Nicht jeder ist körperlich superfit und Magie von tausend Männern und kann trotzdem einen starken und gut geschriebenen Charakter haben.

Vielleicht stammt es aus der Konnotation des Wortes “stark”, dass alle weiblichen Charaktere mit Schwertern oder Bögen gleich als “stark” bezeichnet werden, aber sie sind es nun mal nicht.

Allerdings sind auch nicht alle Frauen ohne diese Attribute und Gaben schwach. Gerade die, die eben nicht alles ins gemachte Nest gelegt bekommen, sondern sich hocharbeiten, durch Wissen, Schläue oder einfach guten Beratungsqualitäten, sind starke Persönlichkeiten. Eben auch jene, die sich nicht verbiegen lassen, eigene Meinungen haben, für andere einstehen, für sich selbst einstehen und wissen, dass man Männern eben nicht nur wegen ihrer Muskeln nach hecheln sollte.


Welche literarischen Frauen starke Charaktere sind – und welche eben nicht

Zwei Beispiele möchte ich hier anführen:

Die Protagonistin aus “Schwert & Rose” von Sara B. Larson ist ähnlich aufgebaut wie Celaena: Kriegerin, unfassbar gut, arrogant und sarkastisch. Sie ist aber trotzdem ganz schwach. Denn sie hechelt ZWEI Prinzen hinterher, tut nichts anderes, als sich von ihnen rumschubsen und ausnutzen lassen, kämpft im Buch vielleicht zwei mal, wenn überhaupt, und zeigt absolut keine Eigeninitiative. Sie ist absolut passiv.

Lina aus der “Menduria”-Reihe ist für mich der Archetyp einer starken Frau, die durch diplomatisches Geschick, Ruhe und Besonnenheit, guten Rat und Bodenständigkeit eine ganze Welt verändern kann. Ohne je ein Schwert in die Hand zu nehmen. Sie ist ihre eigene Entität, obwohl sie viel Zeit damit verbringt, sich in Darian zu verlieben. Aber auch sie wächst, hat ihre eigenen Ziele und ihre eigenen Handlungsoptionen, die alle immer wieder erstaunen.


Fazit

Frauen in der Literatur als “stark” zu bezeichnen, nur weil sie kämpfen können, ist durchgehend falsch. Wenn sie körperlich stark sind, müssen sie auch die Gedanken und Handlungen haben, dies zu unterstützen. Wenn sie durch Oberkörpermuskeln komplett von allem abgelenkt werden, für was sie einstehen, ist das kein Feminismus, sondern trotzdem platter Sexismus.

Celaena mag nicht das Wunderkind des Feminismus sein, für das sie hochgehalten wird, sie ist aber definitiv und nach jeder Definition ein starker Charakter, der sich immer und immer weiter entwickelt, wächst und aus ihren Schwächen lernt.

Gerade an den Beispielen kann man sehen, dass Frauen eben nicht nur kämpfen und zaubern können müssen, um die Welt zu verändern. Sie brauchen dazu auch noch ein vernünftiges Herz und ein ordentliches Hirn!


Diskussions-Time!
Wie findet ihr diese Diskussion über Gender und Feminismus in YA? Kennt ihr Celaena und was haltet ihr von ihr? Und wie steht ihr generell zum Typ des “starke Frau”-Charakters?
 

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