Ich schreibe diesen Beitrag, da ich genau heute ein Jahr lang mit meinem Freund zusammen bin und meine allererste Beziehung nun ein Jahr alt ist. Und mir sind natürlich nicht nur bei mir und bei anderen Leuten absolute Veränderungen aufgefallen, sondern auch in meinem veränderten Interesse in Büchern.
Generell hat sich mein Blick auf Bücher und Genre in dem letzten Jahr sehr gedreht und auch meine Lesevorlieben haben sich komplett umgekehrt. Aber das ist ein Thema für einen komplett anderen Artikel.
Hier möchte ich erklären, wieso ich das Romance Genre zu großen Teilen nun absolut nicht mehr ernst nehmen kann:
Vorne weg: Ich rede in diesem Post über heteronormative Beziehungen. Nicht, weil andere Formen der Liebe und von Beziehungen nicht existieren oder nicht genauso valide wären, sondern, weil es auch diese Beziehungen sind, die ich im Romance-Genre im überwiegenden Übermaß sehe (was an sich auch schon ein riesiger weiterer Kritikpunkt ist) und ich mir nicht anmaßen möchte über Beziehungen zu sprechen, die ich nicht verstehen kann. Fühlt euch allerdings frei, eure Erfahrungen und Ergänzungen hinzuzufügen! Ich würde mich sehr freuen!
Klischees
Ich habe generell bemerkt, dass viele der immer wieder bedienten Klischees einfach nicht stimmen und bei den wenigsten Paaren in meinem Umfeld tatsächlich auftreten. Ich finde keine Bad Boys, die sich durch eine magische Beziehung heilen lassen, ich sehe sehr wenige Leute, die es nicht schaffen, in welcher auch immer gearteten Weise über ihre Probleme zu reden und ich sehe auch keine absolut dämlichen Dreiecksgeschichten.
Unsere Geschichte ist definitiv keine unfassbar aufregende Geschichte, aber ich finde es schon bemerkenswert, dass ich diesen Vorgang so oder so noch nie in einem Buch gesehen habe: Nämlich, dass nicht der Mann der Frau hinterher hechelt, sondern, dass ich mich in diesem Fall tatsächlich offensiver in die Diskussion und in den Flirt geschmissen habe, nach seiner Nummer und nach einem Date fragte.
Ebenfalls dazu zählen so kleine Dinge, wie dass mein Freund einfach sensitiver ist, als ich, in manchen Dingen ein astreiner Feminist ist und toxischer Männlichkeit in vielen Fällen einfach den Mittelfinger zeigt.
Streit
Wir gehören wohl zu den glücklichen Paaren, die sich nicht so oft streiten. Quasi gar nicht. Weil wir eigentlich immer die Kurve kriegen und uns doch zusammen setzen und besprechen, was uns jeweils stört und einen Kompromiss finden. Wobei in Romance-Büchern bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit gleich ein riesiger Sturm über der Beziehung aufzieht und man quasi den Rest des Buches nur damit verbringt, in einem Strudel der Emotionen umeinander her zu schleichen ohne einfach mal auf die Idee zu kommen, miteinander über das Problem zu reden. Außerdem streitet man sich sehr schnell eher über kleinere Dinge aus dem Alltag, die für den einen nun mal sehr wichtig sind und für den anderen eher ein Nebengedanke. Große Grundsatzdiskussionen sind dabei eher selten.
Intimität
Was mich eigentlich am meisten fuchst ist die einseitige Darstellung von Intimität und Sex. Ein häufiges Vorkommnis in Büchern ist, dass die weibliche Lust an Intimität immer nur davon zu erwachen scheint, dass ein Mann diese Lust kommuniziert. Sei das nun verbal oder nonverbal. Weibliche Lust scheint quasi nur als Reaktion zu existieren und das ist so absolut gar nicht der Fall. Mir fällt außerdem auf, dass den wenigen ausführlichen Beschreibungen auch immer inne ist, dass der Mann die Führung beim Sex zu übernehmen scheint, was ja durchaus auch anders sein kann und so gut wie nie dargestellt wird. Und das wichtigste: Lustige Momente, peinliche Momente, absolute Unfähigkeit oder auch simpel, dass am Ende nicht für beide automatisch ein Orgasmus sein muss, wird absolut nie erwähnt. Oder Kondome! Oder Gespräche über Verhütung oder Geschlechtskrankheiten! (Was ich durchaus bedenklich finde, denn ich habe Kontakt zu etwa 14-jährigen, die auch schon New Adult lesen und was haben die denn bitte für ein Bild und eine Erwarungshaltung an Sex und Intimität?)
Alltag
Der Alltag eines Pärchens wird in Büchern meist sehr schnell sehr eng (Sie wohnen z.B. zusammen) oder wird gar nicht dargestellt, da dieser neben dem ganzen Streit quasi auch nicht mehr existiert. Allerdings finde ich, dass Romance Bücher auch irgendwie ein informierendes und lehrendes Bild vermitteln sollten, gerade für die teilweise eher noch junge Zielgruppe, die diese Bücher liest, obwohl sie vielleicht noch gar nicht für sie geschrieben sind. Dementsprechend habe ich festgestellt, dass ein wie auch immer gearteter Alltag zusammen sehr wichtig ist und eine Beziehung formen kann. Das können 2 Treffen die Woche sein oder eine gemeinsame Mittagspause bei Skype. Aber das ist wirklich der Grundstein, auf den ich mich immer weiter verlassen kann und der mir viel Halt gibt. Wäre der mit dem ganzen emotionalen Hin und Her einer kitschigen Romance Novel gefüllt, würde mir nach einem Monat die Puste ausgehen und ich hätte keine Kraft mehr. Dieser Aspekt fehlt mir einfach so sehr und er wäre einfach sehr süß einzubauen und individuell zu gestalten. Halt wie im echten Leben.
Probleme
Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber natürlich hatten und haben wir auch so unsere Probleme. Seien die jetzt persönlich oder miteinander. Allerdings schwiegen wir uns nicht darüber an und versuchten auch nicht, diese tiefliegenden Ängste innerhalb von ein paar Wochen zu klären, sondern waren jedes Mal einem länger währenden Prozess ausgesetzt, dem man sich gemeinsam stellen muss. Niemand kann magisch von jemand anderem gefixt werden. Niemand sollte den Anspruch stellen, dass dies einfach passieren könnte.
Probleme sind lang anhaltende gemeinsame Arbeit, nicht das Wunderwerk einer Einzelperson.
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