Eine Klima-Partei in Corona-Zeiten? | “Toxische Macht” von Christian Linker | Rezension

 Ein Deutschland, in dem ab dem Herbst 2020 kein Corona mehr existiert. Ein Deutschland, in dem Fridays For Future sich so organisiert, dass es eine Partei gründet, die sich FUTURE nennt. Und ein Deutschland, in dem FUTURE im Herbst 2021 schon zur Bundestagswahl antreten kann. Mit einer sehr jungen Kanzlerkandidatin. Und zwischendurch ein riesiges Drama zwischen zwei Liebenden.

Na das ist doch mal ein Plot, was?


Bibliographische Daten

  • Autor: Christian Linker
  • Genre: Roman, Politische Fiktion
  • Verlag: dtv bold
  • Seitenzahl: 332 S.
  • ISBN: 978-3-423-23024-7
  • Website!

Kurzbeschreibung

 Eine enttäuschte Liebe. Ein gespaltenes Land. Eine Nacht, die alles verändern wird.

Fast ungewollt gelangt die 24-jährige Coco an die Spitze der neuen Partei FUTURE. Ein sensationeller Aufstieg beginnt. Doch der Kult um ihre Person wird Coco bald zu viel – und die Zahl ihrer Gegner wächst. Dazu gehört auch ihr Ex-Freund Maikel …


Vielen Dank an den dtv bold-Verlag für das Rezensionsexemplar!



Eigene Meinung

Dieses Buch begleitet mich schon seit langer Zeit und ich habe es jetzt schon in mindestens zwei Podcasts erwähnt! Und nun kommt auch endlich die Rezension dazu raus!

“Toxische Macht” ist ein Buch, was ich mir eigentlich erstmal nur zulegte, weil ich an einem Stream mit dem Autor teilnehmen durfte, wo wir alle Pizza aßen und über das Buch diskutieren durften. Und dafür habe ich das Buch mitten in der Klausurenphase an einem Tag durchgehauen! Und es hat wirklich einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich liebe es wirklich sehr und ich denke gerade im Lciht der Corona-Pandemie wird es mich noch sehr lange begleiten.

Aber worum geht es eigentlich? Basically geht es darum, dass im Jahr 2020 zwar die Corona-Pandemie in Deutschland Einzug hält, allerdings wird sie schon im Sommer besiegt und aus den politischen Anstrengungen von Fridays For Future ergibt sich die Partei “FUTURE”, die schnell unfassbare Umfragewerte einfährt. Dabei dreht sich die Story aber eigentlich um ein Zusammentreffen von Coco und Maikel, die früher mal ein Paar waren und bei der Gründung von FUTURE dabei waren, sich dann aber zerstritten haben und sich vor der Bundestagswahl für einen Tag wiedersehen.

Die Geschichte wird also in zwei Strängen erzählt, die sich am Ende zu einem vereinen. Der eine Strang erzählt Cocos und auch manchmal Maikels Geschichte bis hin zu dem Tag der Bundestagswahl in 2021. Der andere erzählt diesen einen Tag vor der Wahl wieder, an dem sich Maikel und Coco wiedertreffen und nicht nur ihre Zukunft, sondern auch ihre Vergangenheit sie wieder einholt.

Das Buch ist sehr schnell geschrieben, es passiert unfassbar viel und ich musste teilweise Seiten noch einmal nachlesen, weil ich einfach nicht alles mitgekriegt habe. Und tatsächlich beschreibt dieses Buch ganz gut, wie die toxische Macht, die Coco langsam durch ihre Kandidatur für FUTURE erhält, sie zu einer komplett anderen Person werden lässt, die sich davor fürchtet alles zu verlieren, was sie je ausgemacht hat.

Auf der anderen Seite können wir ebenfalls Maikel dabei beobachten, wie er von einem jungen Mann, der sich für Klimaschutz und Frauenrechte einsetzt, zu einem Neu-Rechten Arschloch wird, welches sich den kruden Lehren eines Magazin-Herstellers und Autors unterwirft, weil er seine Identität dadurch bedroht sieht, dass er seine “Männlichkeit” nicht mehr so ausleben kann, wie er es gerne immer gehabt hätte. Die Gemeinschaft, der Maikel sich anschließt, klingt tatsächlich sehr nach manchen Incel- oder auch PUA-Communities, welche auch in den USA jungen Männern ein Weltbild vermitteln, welches auf Hass und Diskriminierung beruht.

Man kann also sehen, wie diese ganzen politischen Themen mich durchaus angesprochen haben. Ich habe mit einer seltsamen Faszination nachvollzogen, wie Cocos Einsatz sie immer weiter von ihrem Leben, ihren Liebsten und sich selbst entfernt, während Maikel sich immer mehr in seinen eigenen Gefühlen suhlt, bei denen er gar nicht realisiert, wie sehr sie anderen Menschen schaden würden. Wie denn auch. Er selbst erlebt ja nichts von diesen Schäden.

Dabei kommen allerdings im gesamten Buch die Charaktere ein wenig zu kurz. Denn Coco und Maikel sind tatsächlich sehr ausführlich beschrieben, allerdings bleiben auch sie ein wenig blass. Aber alle um sie herum bleiben noch viel blasser. Gleichzeitig fand ich die Ortsbeschreibungen teilweise sehr ausführlich und teilweise so vage, dass ich mir eigene Orte aus meiner Erfahrung zusammen basteln musste, damit die Charaktere nicht in einem schwarzen Raum rumsaßen/rumstanden. Alle anderen Charaktere erhielten auch grobe Charakterzüge, aber ich fand sie nie so immersiv, dass ich mir wirklich vorstellen konnte, wie ich mit diesen Menschen interagieren würde.

Allerdings fand ich auch die viele viele freiwillige Arbeit, die Coco und ihre Parteimitglieder leisten mussten, sehr anschaulich dargestellt und fand es besonders schön, zu sehen, wie alle von ihnen langsam ein wenig machthungrig und -besessen wurden. Natürlich fand ich das nicht für sie schön, sondern gut geschrieben. Also…nicht, dass wir uns falsch verstehen 😀

Auch die Abschnitte in denen das spätere Aufeinandertreffen von Coco und Maikel beschrieben wird, fand ich immer sehr spannungsgeladen und die Dialoge der beiden sind nicht nur wegen der Intention der beiden immer total aufgeladen. Auch den Twist am Ende fand ich dabei einfach nur grandios umgesetzt und ich war total fasziniert, weil die “richtige” Auflösung ja dann doch außerhalb unseres Blickwinkels stattfindet.

Was mich ebenfalls faszinierte, sind die politischen Überlegungen in diesem Buch: Coco ist eigentlich nur wegen ihrer klaren Worte und ihrer klaren Message so beliebt. Dieses Buch zeigt auch eindrucksvoll, dass Populismus viel besser funktioniert, als klare Fakten und Lösungsvorschläge. Da populistische Kommunikation einfach so viel erfolgreicher sind, kann auch Coco so erfolgreich sein, die eigentlich im ganzen Buch nicht so sonderlich kompetent wirkt, wie man es gerne hätte. Teilweise wirkt sie sogar übermäßig reduzierend gegen den großen Problemen. Aber durch die Menschen um sie herum kann sie dann doch mit vernünftigen Talking Points und Kompetenzen ausgestattet werden, die sie auch zu einer geeigneten Kandidatin machen. Allerdings fand ich manche Auftritte auch hier ein bisschen zu sehr an den Haaren herbeigezogen, leider.


Fazit

“Toxische Macht” ist eine hoffnungsvolle und gleichzeitig mit dem erhobenen Zeigefinger wedelnde Version eines neuen politischen Deutschlands und gleichzeitig einer gescheiterten Beziehung, die eine viel größere Bedeutung entwickelt. Gleichzeitig eine utopische Vorstellung von einer neuen politischen Kraft in Deutschland und eine hoffende Vorstellung des Tatendrangs einer neuen Generation. Es zeichnet aber auch ein scharfes Bild davon, wie Macht Menschen verändern kann und welche Gegenreaktionen es auf den neuen Tatendrang gibt. Dementsprechend ist der warnende Blick und die Sorge auch hier direkt mit eingebaut.

4.5 von 5 Tintenklecksen
 

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