“Davor & Danach” von Nicky Singer | Rezension

Ein Roman, der eine Klimakatastrophe darstellt. Ein Roman, der von einer nahenden Endzeit berichtet. Ein Mädchen und ein Junge, die sich durch eine inhumane Welt durchschlagen wollen und müssen. Zwei Kinder, die einfach nur leben wollen. Ein Leben, das beiden von allen Seiten nicht gewährt wird. Und viele Opfer, die nicht nur ihre Leben beeinflussen. Erschreckend. Und sehr, sehr wichtig.


Bibliographische Daten

  • Autorin: Nicky Singer
  • Genre: Endzeitroman, Klimakatastrophe
  • Verlag: Oetinger Dressler
  • Übersetzerin: Birgit Salzmann
  • Seitenzahl: 380.
  • ISBN: 978-3-7915-0100-0

Kurzbeschreibung

Was zählt, wenn die Welt am Abgrund steht? Verändern Klimawandel und Flucht unsere Menschlichkeit?
Die 14-jährige Mhairi lebt in einer Welt in der es zu viele Menschen gibt und Wasser nur noch im Norden zu finden ist. Sie besitzt zwei Dinge: einen Revolver und ihre Papiere. Ihr einziges Ziel ist es, zu überleben. Dank ihrer Papiere wird es Mhairi bis in den Norden schaffen. Hoffentlich. Doch dann trifft sie kurz vor dem Grenzpunkt einem kleinen Jungen. Ist sie bereit, alles für ihn zu riskieren?


Vielen Dank an den Dressler Verlag für das Rezensionsexemplar!


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Eigene Meinung

POSITIV

  • Eine großartige Welt, die aufgebaut wurde

Diese Welt wirkt so weit von unserer entfernt, wie es nur geht. Allerdings ist sie sehr sehr nah dran und eigentlich absolut realistisch. Denn in dieser Welt ist der Großteil der Welt einer Wüste gewichen, die sich durch die extremen Temperaturen eingestellt hat. In einem Teil der nördlichen Hemisphäre ist es allerdings noch nicht so weit und es können noch Pflanzen wachsen. Das Klima ist noch human. Natürlich wollen nun möglichst viele Leute dorthin und dort wohnen. Was passiert nun aber, da definitiv nicht alle Menschen auf diese Weise versorgt werden können? Diesem Konflikt stellt sich nicht nur dieser Roman, sondern auch alle Figuren in ihm auf beeindruckende Weise. 

  • Aus der rohen Sicht einer viel zu erwachsenen 14-jährigen

Die Protagonistin Mhairi ist erst 14. Und trotzdem unfassbar erwachsen. Sie musste ihre beiden Eltern verlieren und schlägt sich quasi ohne Essen und Wasser durch die ganze Welt, um zu ihrer Oma zu gelangen. Dabei muss sie häufig Lücken ausnutzen, die das System ihr erlaubt und wird manchmal nicht nach dem Kindergesetz behandelt, dass bis 15 gilt, weil die Leute ihr ihr Alter nicht glauben. Mhairi ist viel zu erwachsen für ihre 14, ein Erwachsener, der aus der Not heraus geboren wurde zu überleben. Dementsprechend ist ihre Begegnung mit dem stummen Junge und ihre plötzliche Verbindung zu einem anderen Menschen, während sie sich durch die Wüste kämpft. Absolut beeindruckend!

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  • Es löst in einem schon von der ersten Seite an alle möglichen Emotionen aus

Ab der ersten Seite war ich absolut geschockt von der Geschichte. Nicht nur, weil die Menschen in einen quasi archaischen Zustand verfallen, der sich zwischen modernen Gesetzen und Regelungen und absoluter Willkürlichkeit abspielt, sondern auch, weil man die ganze Zeit vor Augen hat, dass es wirklich genau so passieren könnte. Der Klimawandel bedroht uns alle und so sehr die schlimmen Folgen und die Nachwirkungen auch für die Menschlichkeit zu sehen, schmerzt und lässt einen über viele Dinge nachdenken. Unfassbar gut gemacht!

  • Viele politische Gedanken, die gut präsentiert werden

In diesem Roman hat mich am meisten fasziniert, dass die Autorin es zusätzlich zu dem Überlebenskampf der beiden Kinder geschafft hat, viele unterschiedliche politische Perspektiven nicht nur darzustellen, sondern auch den Unterschied klar herauszustellen und ihn für den Leser klar verständlich darzustellen. Denn tatsächlich sind aus der Situation heraus fast alle Positionen verständlich und nachzuvollziehen! Ich habe mich quasi erschreckt, als mir klar wurde, dass mir eine widerstrebende Position logisch erschien, wenn man sie von einem anderen Standpunkt betrachtet. Und diese Brücke zu schlagen, wo es in unsere Gesellschaft (z.B. “Flüchtlingsfrage”) keine mehr zu geben scheint, finde ich verdammt beeindruckend und gerade für jugendliche Leser auch enorm wichtig!

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  • Eine Intensität, die ihresgleichen sucht

Der ständige Überlebenskampf, die ständigen neuen Situationen und die Sicherheit, dass man sich nirgendwo sicher fühlen wird, begleiten dieses Buch auf Schritt und Tritt. Gerade wegen der absoluten Relevanz ist es so, dass man dieses Buch einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommt und beim Lesen die ganze Zeit ein mulmiges Gefühl im Magen hat. Die beiden Protagonisten schaffen es wirklich die ganze Zeit, den Leser zu überraschen, aber auch, ihn mitleiden zu lassen und mich mit einer emotionalen und brutalen Intensität mitzureißen. Ich liebe genau diesen Aspekt und alleine schon deshalb lohnt sich dieses Buch!

  • Ein totaler Page Turner!

Es ist bei mir auch in den allermeisten Fällen so, dass ich es liebe, wenn ein Buch mich nicht mehr loslässt und ich dann durch die Seiten fliegen kann! Genau das ist auch hier passiert und ich habe es einfach nur geliebt! Ich konnte dieses Buch weder weglegen noch aufhören, über diese grässlichen Dinge, die hier passieren, nachzudenken. Das ist natürlich eine generell tolle Sache und gepaart mit einem absolut treibenden und abgehakten Schreibstil einfach nur wunderbar!

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NEGATIV

  • Manche Gedankengänge nicht komplett durchdacht und erforscht

Ich bewundere dieses Buch insbesondere dafür, wie viele Dinge es durchdenkt, wie sehr es um die Frage der Menschlichkeit und der Hilfe von Mensch zu Mensch dreht und kreist und selbst auch keine Antworten zu finden versucht, sondern sich einfach direkt in reale Verhältnisse stürzt. Was ich nicht leiden kann, ist, wenn diese bestehenden Meinungen und Argumente einfach nicht vernünftig zu Ende gedacht werden. Wenn Punkte zwar angesprochen, dann aber in der Mitte fallen gelassen werden oder zur Verwunderung des Lesers absolut unbefriedigend liegen gelassen werden. Das…fand ich gerade bei so einem Buch total enttäuschend. 

  • Manchmal verlässt sich die Geschichte zu sehr auf Emotionen

Ich bin ein großer Fan davon, wenn ein Buch mich mit seinen Emotionen einlullt und nicht mehr loslässt. Ich bin ebenfalls ein großer Fan davon, wenn die Emotionen der Charaktere es schaffen, mich von ihrer Echtheit und Existenz zu überzeugen und den Punkt des Buches absolut verkaufen. Was ich nicht leiden kann ist allerdings, wenn das Buch mir versucht zu vermitteln, dass es zwar aus einem Grund Emotionen gibt und diese mir etwas wichtiges vermitteln sollen, diese allerdings vorgeschoben werden, um einen nicht zu Ende gedachten Strang “zu Ende” zu führen, ohne sich vernünftig mit der Materie auseinanderzusetzen. Und dies versucht diese Geschichte gleich mehrmals. Absolut nicht mein Fall.


Fazit

Dieser Endzeitroman, der uns in ein absolut reelles Zukunftsszenario entführt und uns zeigt, wie Menschen auf eine extreme neue Klimakatastrophe reagieren würden. Absolut menschlich, hinterfragend in Hinsicht auf menschliche Moral und an manchen Stellen absolut herzzerreißend unfair und unnatürlich. Auch wenn ich einiges zu kritisieren hatte, musste ich sehr oft schlucken und mich erstmal damit zurechtfinden, dass unsere Welt durchaus so aussehe könnte oder in Teilen schon so aussieht.

5 von 5 Tinteklecksen!

 

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