“I have no mouth and I must scream”

“I have no mouth and I must scream” ist eine Science Fiction Kurzgeschichte von Harlan Ellison. Diese wurde in den Sehczigern zum ersten Mal veröffentlicht und handelt von einer post-apokalyptischen Welt, in welcher ein allmächtiger Computer “Allied Mastercomputer” (kurz: AM) ein Bewusstsein entwickelt hat und beschlossen hat, die gesamte Menschheit auszurotten. Die gesamte Menschheit bis auf fünf Personen. Diese fünf Personen werden von AM in unterirdischen Höhlen gefangen gehalten, auf absurde Missionen geschickt und immer wieder körperlich verformt, gefoltert oder in psychische Ausnahmezustände versetzt. Obwohl alle Charaktere kurz davor sind zu sterben, lässt AM dies nie zu und hält sie so weit am Leben und bei klaren Gedanken, dass sie ihre Misere in vollen Zügen mitbekommen müssen. Eines der Gruppenmitglieder realisiert, dass der einzige Ausweg ist, sich und die Gruppe umzubringen, da AM die vollständige Macht über sie und ihre Körper hat und dies der letzte Akt der Rebellion gegen eine allmächtige Maschine sein kann, die einen unbändigen Hass auf die Menschheit entwickelt hat. Vier der fünf Gruppenmitglieder sterben, werden getötet oder töten sich selbst, bis nur noch der Erzähler der Geschichte übrig ist. AM ist in einer solchen Rage, dass er den Erzähler in einen fleischigen und ekligen Blob verwandelt, der weder Extremitäten besitzt, noch sich in irgendeiner Weise der Welt mitteilen kann oder diese wahrnehmen kann. Dementsprechend werden ihm alle seine Sinne genommen, bis auf den Sinn seiner selbst. Er bleibt bei vollem Verstand und es ist ihm unmöglich ihn zu verlieren, während er in alle Ewigkeiten dazu verdammt ist, sich nicht selbst das Leben nehmen zu können.

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Was erstmal sehr harsch klingt, war für mich eine der einschneidensten Leseerfahrungen in meinem Leben. Ich glaube, dass ich noch nie so viel Angst vor etwas hatte und vielleicht auch nie wieder haben werde, als mir vorzustellen, selbst wie ein Blob ohne Kommunikationsmöglichkeiten in einer unendlichen Folter festzustecken. Obwohl dies schon mindestens ein Jahr her ist, überkam mich doch immer wieder der letzte Satz der Kurzgeschichte, der auch den Titel abbildet: “I have no mouth and I must scream.”

Denn in den letzten Monaten werdet ihr eine gewisse Stille hier auf dem Blog, aber auch auf allen Social Media Kanälen wahrgenommen haben. Denn ich war in einer Art Schockstarre gefangen, die nicht nur mein Leben, sondern auch meine Psyche umfasste. Aber warum drehen wir nicht einfach die Zeit zurück?

Seit April ist für mich die Welt komplett anders geworden. Ich verlasse mein Haus quasi gar nicht mehr und muss all meine Arbeit komplett von zu Hause aus erledigen. Ich habe ein gesamtes (und mein stressigstes) Semester komplett in einem Lockdown verbracht, der nur in seltenen Fällen von Freundesbesuchen oder einem Essen in der Stadt unterbrochen wurde. Ich habe eine Bachelorarbeit geschrieben, die mir nicht nur drei Monate meines Lebens geklaut hat, sondern auch einen großen Teil meiner mentalen Gesundheit. Es traten so viele Probleme auf, die gelöst werden mussten, dass ich regelmäßig Heulkrämpfe hatte, die schwer zu erklären waren, denn es ging ja “nur” um eine Aufgabe für die Uni. Ich habe alle meine wachen Stunden in dieses Projekt gestellt, mich immer wieder selbst überwunden und wahrscheinlich jeden Tag über 12 Stunden an meinem Computer gesessen.

Diese Art von Produktivität hat meinem Gehirn am Anfang sehr viel abgefordert, aber wie bei so vielem gewöhnt man sich mit der Zeit wirklich an alles. Denn meine Kreativität wurde vertrocknet. Ich wollte lesen, konnte aber nicht, da ich dachte, ich verschwende Zeit. Ich wollte schreiben, ich wollte mein Journal führen, ich wollte malen und mir neue Konzepte für den Blog überlegen. Aber alles wurde durch Zeit oder durch Erschöpfung ausgebremst.

Als ich am 30.09. meine Bachelorarbeit abgegeben habe, fiel ich in ein unendlich tiefes Loch. Denn ich musste nicht mehr jede Sekunde des Tages produktiv sein. Wo ich mich sonst zu jeder Tages- und Nachtzeit zu vielem überwinden musste, Tränen zurückhalten musste und mich selbst überzeugen musste weiterzumachen, blieb auf einmal nur noch: Warten. Warten auf das neue Semester, warten auf die Note, warten auf neue Arbeit.

Mein Hirn verfiel in andere Produktivität, wollte mein Leben wieder zurecht biegen, Freunde anrufen, rausgehen, wieder Sport machen, bloß nicht an meinen Blog denken, denn ich so sträflich vernachlässigt habe. Ich habe dies…genau einen Monat ausgehalten. Wahnsinn, wenn man sich das vor Augen führt. Aber hetzt schreibe ich an diesem Post, weil ich mitteilen möchte, dass es mir nicht gut geht.

Zu einem generellen Grundrauschen an Angst und Hoffnung während der Corona-Krise (Ich habe Heuschnupfen und daher Probleme mit meiner Lunge) kommen in dieser Zeit Probleme zu Hause, Probleme mit anderen Krankheiten und Sorgen innerhalb der Familie und auch immer und immer wieder die Frage, wie ich weiter studieren will und ob ich ausziehen könnte.

Ich stehe in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Angst, Sorge, Hoffnung, Verzweiflung, Selbstfürsorge, Schlaf und Aufmunterung. Dazu kommen noch Stress, Verpflichtungen und natürlich meine eigene Faulheit. Diese haben es mir in den letzten Wochen unmöglich gemacht, mich in irgendeiner Weise zu äußern, etwas zu schreiben, mich wieder aktiv zu melden.

Dazu kommt natürlich noch die Wahl des Präsidenten in den USA, die (ob man das wahrhaben will oder nicht) riesige Auswirkungen auf den Weiterlauf der gesamten Welt haben wird und vor der ich wahnsinnige Angst habe. Da diese morgen passiert, wenn dieser Artikel erscheinen wird, befinde ich mich wahrscheinlich in einem ständig angespannten Zustand und bin absolut hibbelig und nervös.

Neben all der Negativität aber die schönen Nachrichten: Ich habe meine Bachelorarbeit mit einer Note von 98% bestanden, wurde in den nachfolgenden Master aufgenommen und erfahre viel Zustimmung von vielen Freunden, mit der ich vorher nie gerechnet hätte.

Trotzdem fühle ich mich gerade wie in der oben beschriebenen Kurzgeschichte. Als wäre es unmöglich, mich aus den Fängen der Welt zu befreien. Als wäre ich nicht in der Lage, dass meine Stimme gehört wird, dass ich irgendwas sagen könnte, was irgendwas ändert. Ich hoffe, dass sich vieles zum Guten wendet. Aber ich bin in den letzten Jahren zynisch genug geworden, um meine Hoffnungen nicht zu hoch zu setzen.

Um meine Gedanken irgendwie loslassen zu können, wird dieser Blog natürlich weiter bestehen. Wie könnte er auch nicht, er begleitet mich seit über 5 Jahren durch dick und dünn und ich möchte ihn wieder mit Leben füllen.


Wie geht es euch? Welche Beiträge vermisst ihr oder habt ihr Vorschläge für Themen, die ich ansprechen könnte? Ist überhaupt noch irgendwer hier?

 

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