Kritik annehmen – Was muss frau ertragen?

Letztens sagte jemand zu mir, dass man mit der aktuellen Atmosphäre in der Buchblogosphäre und der generellen Stimmung sich immer fragen müsste, ob man dieses und jenes schreiben könne.

Meine Antwort war – wie immer -, dass man natürlich alles schreiben kann, was man möchte. Aber dass man auch damit rechnen muss, dass man für sein Geschriebenes kritisiert wird.

Und da in der letzten Zeit viele Debatten darüber geführt würden, wie und ob man kritisieren darf – ist heute mein Senf dazu. Einigermaßen ungefiltert und doch überdacht.

Ich hoffe, dass wir eine gute Diskussion über Kritik hinkriegen können! Und dabei uns auch gegenseitig kritisieren können.


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Was ist Kritik – und was ist es nicht?

Eigentlich geht die ganze Debatte schon Ewigkeiten. Aber in der Buchbubble scheint Kritik irgendwie nicht richtig an der Tagesordnung zu sein.

Denn Kritik ist an sich erstmal eine Beurteilung, die auf gewisse Dinge prüft. Man kann Ästhetik kritisieren, ein Buchcover, einen Schreibstil, einen Plot, eine Erzählweise, einen Charakterzug, eine Äußerung oder abstrakte Dinge wie die dargestellte Moral und die Rollenbilder eines Textes oder gleich eines ganzen Buches.

Dass das natürlich immer total anders aussehen kann und jeder Mensch anders kritisiert, ist natürlich dabei klar. Bei manchen fällt diese Kritik sehr weich und nett aus, andere formulieren sie gerne rasiermesserscharf auf den Punkt.

Was natürlich keine Kritik ist, sind Aussagen wie: “Ich fand das Buch total toll!” oder “Das Buch ist mega scheiße!”, wenn sie einzeln und ohne Zusammenhang stehen. Das ist erstmal nur eine Meinung, mit Begründung wird sie zur Kritik.

Diskriminierung – eine besondere Form der Kritik

Da es auch einen solchen Fall in der letzten Zeit gab: Wenn euch eine queere, schwarze, BlPoC oder trans Person sagt, dass das diskriminierend ist, was ihr schreibt, dann sollte die erste Reaktion nicht sein, alles abzustreiten und sich über die ‘Zensur’ aufzuregen. Sondern die Reaktion sollte sein, in einen Dialog darüber zu treten, was denn genau eigentlich diskriminierend ist. Denn eine marginalisierte Person weiß generell erstmal mehr über das Thema, als eine Person, die nicht in derselben Weise diskriminiert wird oder wurde.

Also hört Marginalisierten zu. Nehmt ihre Kritik an.

Und diese Kritik ist aus dem Grund eine besondere Art von Kritik, weil man sich hier nicht ‘auf dem gleichen Parkett’ bewegt. Denn die marginalisierte Person weiß definitiv mehr darüber, wie das Schreiben auf gleich marginalisierte Menschen wirkt und was diskriminiert.

Durch Annahme und anschließende Entschuldigung bei allen Betroffenen können wir genau das schaffen, was viele Buchmenschen immer gerne wollen: Mehr Harmonie!

Denn nicht dadurch, dass wir nicht kritisieren, sind wir harmonisch. Sondern dadurch, dass wir Kritik annehmen und uns selbst für ein schöneres Miteinander hinterfragen.

Öffentlich, professionell – worüber reden wir eigentlich?

Viele Menschen haben sich in der Debatte an den Worten “öffenlich” und “professionell” aufgehangen. Deshalb wollte ich beide Begriffe einmal ansprechen:

“öffentlich” – Wenn jemand an die Öffentlichkeit mit seinen Gedanken, Bildern, Texten und Werken geht, dann ist er auch der Meinung eben dieser Öffentlichkeit ausgesetzt. Diese können darüber werten, sich eine eigene Meinung bilden, empfehlen oder es eben auch ignorieren. Vielleicht auch nur gewisse Teilaspekte des Werkes. Niemand hat einen Anspruch auf eine Besprechung der eigentlichen Werke, wie man sie sich gerne wünscht. Genauso wie man auch als Kritisierender oder als jemand, der Bücher mit Rezensionen bewertet, auch kein Recht darauf hat, dass die Autoren dies lesen oder alle dem zustimmen müssen.

Aber öffentlich sein bedeutet eben auch, jeder Meinung ausgesetzt zu sein und diese ertragen zu müssen. Natürlich kann man sich wehren, mit Argumenten um sich schmeißen und Leute auseinandernehmen oder in schöne Gespräche einsteigen – trotzdem hat jeder das Recht auf eine eigene Meinung und auch das Recht diese zu äußern, wie man gerne möchte.

“professionell” – Ich hatte mich als professionell bezeichnet, da ich mittlerweile seit über 4 Jahren über Bücher blogge und dieser Blog mittlerweile einen gewissen Grad an Professionalität erreicht hat.

Professionalität bedeutet nicht, dass man seine Persönlichkeit an der Tür lassen muss, dass man keine Witze machen darf oder sollte, oder dass man sich verstellen sollte, um seriös zu wirken. Professionell sein, bedeutet eine gewisse Ahnung von seinem Handwerk zu haben und dieses auch richtig einzusetzen. Und genau dies mache ich auf meinem Blog. Man könnte auch sagen: Ich weiß mittlerweile ein wenig darüber, wie der Betrieb so abläuft und wie gewisse Dinge zu bewerten sind.

Auch Dennis Scheck verreißt Bücher gnadenlos, stellt Autoren an den Pranger und macht sich über sie lustig. Ist dies deshalb nicht mehr professionell?

(Genauso bedeutet Professionalität auch, sich gewissen Bedingungen des Veröffentlichens bewusst zu sein. Zum Beispiel der Tatsache, dass nicht alle denselben Geschmack haben oder gleich über Dinge reden.)

Was gar nicht geht – persönliche Beleidigungen

Eine Sache, die natürlich nicht gehen in diesem Umfeld: Persönliche Beleidigungen.

Man macht sich nicht lustig über das Aussehen, die Sprechweise oder sonstiges eines Menschen, wenn man eigentlich das Werk kritisieren will. Denn auch, wenn im heutigen Zeitalter öffentlicher Auftritt und private Person immer mehr miteinander verschwimmen: Es muss immer klar sein, dass Angriffe auf Eigenschaften der Person dahinter nicht okay sind.

Dies ist allerdings nicht damit zu verwechseln, dass man eben doch Werke kritisieren darf, ohne darauf achten zu müssen, wie sich die schaffende Person dabei fühlt. Denn hinter jedem Werk stehen Menschen, die sich Mühe und Arbeit gemacht haben.

Aber das Werk an sich kritisieren, bedeutet nicht, die Person dahinter anzugreifen. Diese klare Trennung von Autor und Werk ist mir sehr wichtig.

Wie sollte man darauf reagieren? – Was muss ich aushalten?

Nun kommen wir zu dem, was das Herzstück dieser Kolumne ist: Was muss man aushalten.

Gerechtfertigte oder ungerechtfertigte Kritik muss man IMMER aushalten, wenn man sich auf einer öffentlichen Bühne bewegt. Egal, wie weh sie tut oder wie ungerecht man sie findet. Wenn sie begründet ist, kann man sie nicht einfach wegweisen. Am besten natürlich, man befasst sich auch noch mit ihr.

Natürlich darf man auch zurück argumentieren. Sicherlich. Wenn man findet, dass man zu Unrecht kritisiert wird, oder gewisse Dinge falsch aufgefasst wurden, ist es immer gut, die Hintergrundinformationen mit einzubringen. Aber auf der anderen Seite sollten diese Dinge dann auch nicht mit neuen oder alten anderen Kritikpunkten vermischt werden. Übrigens kann jeder in jedem Ton auch auf Kritik reagieren, genauso wie Kritik in jedem Tonfall geäußert werden darf. Allerdings kann die Öffentlichkeit aus dieser Reaktion natürlich auch wieder Schlüsse ziehen.

Der Kern ist jedoch, dass jede Kritik, solange sie denn Kritik ist (ja, auch Witze können dies sein!), erstmal berechtigt ist. Natürlich haben verschiedene Menschen verschiedene Hintergründe und fassen Dinge vielleicht auch anders auf, als sie intendiert waren. Das kann man aber weder verhindern noch unterdrücken, also muss man sich damit arrangieren.

Tone Policing – Das vermaledeite “Ihr müsst auf euren Ton achten”

Eine Sache, die mir in der Diskussion immer wieder auf den Senkel ging, war die ständige Aussage: “Ihr könnt ja kritisieren, aber bitte achtet auf euren Ton! Der macht doch schließlich die Musik!”

Nein. Denn wie gerade gesagt: Kritik darf und sollte in jedweder Form geäußert werden. Außerdem liegt bei jedem Menschen die Schwelle für den ‘guten Ton’ ganz woanders, also vorher soll denn nun gewusst werden, was man noch sagen ‘darf’?

Eine weitere Sache: Warum denn nur bei schlechter Kritik auf den Ton achten? Ich bin dafür, eine solche Schwelle auch für gute Kritik einzubauen, weil man kann ja schließlich auch viel zu lieb zu jemandem sein!

Und der Job eines Kritikers ist es nun mal einfach nicht, sich an jeden ranzukuscheln und jedes Buch nur in den Himmel zu loben. Ehrliche und gut ausgesprochene Kritik ist doch teilweise das Beste, was ein Autor bekommen kann. Nur dadurch können sich alle verbessern.

Auch, wenn der Großteil einer Antwort auf Kritik nicht daraus besteht, der Kritik zuzustimmen oder ihr zu widersprechen, sondern darin, den Ton und die Schärfe der Diskussion zu kritisieren, finde ich persönlich, dass nur eine Ausrede gesucht wird, sich nicht auf das richtige Thema zu konzentrieren. Klar darf der Ton auch angesprochen werden, sollte aber vielleicht nicht den Löwenanteil des Statements ausmachen, da es dann schnell nach Derailing wirkt, selbst wenn man der Kritik tatsächlich zustimmen sollte, wie es bei vielen Aussagen der letzten Tage war.

Fazit

Ich finde, dass die Buchbubble aufhören muss, miteinander nur kuscheln zu wollen. Und das übrigens auch schon seit Jahren.

Wir können uns gerne auf persönlicher Ebene nur herzen und knuddeln, solange man sich auf professioneller Ebene immer noch kritisieren kann und auch gegenseitig Dinge einstecken können. Und dabei sind Witze, kleine Finten und Überproportionierung eben auch nicht nur menschlich, sondern auch an der Tagesordnung und ganz bestimmt ein Teil der freien Meinungsäußerung.

Also lasst uns lesen, kritisieren und auch mal witzeln – denn ohne das alles wäre es nicht nur eintönig, sondern auch verdammt langweilig.

 

11 Comments

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