Superhelden sind in unserer Zeit beliebter denn je und es könnte an dem seltsamen Phänomen liegen, dass wir uns als Einzelpersonen immer weiter entfernt davon fühlen, etwas in der Welt verändern zu können. Deshalb gibt es auch immer mehr Werke, die sich kritisch oder satirisch mit diesem Phänomen auseinandersetzen oder einfach noch mehr Facetten hinzufügen. Zu diesen Werken gehört auch dieses: “Evil Miss Universe” ist ein Versuch, Superhelden umzudrehen, dabei Spaß zu haben und unserer Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Und er gelingt vollkommen.
Bibliographische Daten
- Autor: Tobias O. Meissner
- Genre: Superhelden, Roman
- Verlag: Piper
- Seitenzahl: 317 S.
- ISBN: 978-3-492-70536-3
Kurzbeschreibung
Superhelden? Wie langweilig…
Die Zeit ist reif für Superschurkin Dominique.
Sie ist Superschurkin – unerbittlich, rücksichtslos und betörend schön. Von ihrem “geheimen Hauptquartier” mitten in Paris aus macht Dominique es den Männern und Machthabern wirklich nicht leicht. Vor allem aber ist sie unfassbar kreativ und heckt ständig neue Verbrechen aus, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Sie hat eigentlich nur einen einzigen nennenswerten Gegenspieler: Mister Right, einen selbst ernannten Superhelden, mit dem sich ihre Pfade immer wieder kreuzen. Zum Glück zählt Dominique einen jungen Mann zu ihrem Gefolge, der alles für sie tun würde, und dem es vielleicht gelingen kann, sie davon abzuhalten, Mister Right kurzerhand umzubringen…
Vielen Dank an den Verlag für das unangeforderte Rezensionsexemplar!
Eigene Meinung
POSITIV
- Der ikonische Charakter von Dominique
Ich muss von vornherein sagen, dass ich dieses Buch einfach nur geliebt habe. So richtig. Denn auch wenn ich das Marvel Cinematic Universe genauso gut finde, wie jeder normale Mensch in diesem Universum, gehen mir viele Storylines darin total auf den Sack. Es mangelt an Diversität, niemand scheint zu sehen, dass die Welt eigentlich doch ganz anders funktioniert und ich finde es äußerst seltsam, wie manche Figuren sich verhalten.
Aber alles unwichtig, denn hier geht es um Dominique! Schönste, schlauste und hinterhältigste Frau auf diesem Planeten! Manchmal auch die reichste, bestimmt nicht die moralischste und auf keinen Fall die netteste. Dominique als Charakter hat mich sehr fasziniert, denn selbst wenn Frauen in Büchern als “starke” Figuren gebrandmarkt werden, haben sie selten die Gelegenheit wirklich auch so machthungrig und von sich selbst besessen zu sein wie ihre männlichen Kollegen.
Außerdem fand ich es sehr inspirierend, dass sie einfach keine Grenzen kennt oder diese zumindest bewusst überschreitet, wann immer sie kann. Auch wenn sie eine Superschurkin ist, habe ich im ganzen Buch nicht wirklich den Eindruck bekommen, dass sie böse ist. Nur, dass sie diese eh schon böse Welt ein wenig gerade gerückt hat. (Na gut, und sich selbst daran bereichert und Dinge getan einfach weil sie es konnte)
Ich könnte noch ewig über Dominique schreiben, denn mit jeder Seite in diesem Buch fand ich sie noch faszinierender!
- Die immer wieder subtil versteckte und offen ausgesprochene Gesellschaftskritik
Das Highlight neben Dominique war allerdings ein sehr simples: Die versteckte Kritik und Satire an wirklich allem und jedem. An anderen Büchern, Filmen und Comics in diesem Genre, an der Gesellschaft, wie sie momentan existiert, an der absolut außer Kontrolle geratenen Politik, an den Perzeptionen, die es von gut und böse in unserer Gesellschaft gibt. Ich war im ganzen Buch fasziniert davon, wie viel von meinen eigenen Gedanken widergespiegelt wurde und wie oft ich laut lachen musste, als Dominique sich in der Art unserer korrupten, gemeinen, auf Aussehen und Geld besessenen Gesellschaft entgegensetzte und sich dachte: “Fuck it, ich zeig euch wie das richtig geht!”
Während ich mich immer wieder selbst wiederfand, musste ich allerdings auch häufig vehement lachen, weil es entweder so sehr der Realität entsprach, dass ich es nicht fassen konnte, oder einfach absolut genial verpackt wurde, sodass ich staunend davor saß. Chapeau!
- Die absolut genialen Coups, die Dominique ausführt
Ich bin allerdings auch ein Fan des Plots. Denn dieser ist zwar sehr auf Witz und Unglaubwürdigkeit ausgelegt, konnte mich aber trotzdem völlig von sich überzeugen.
Dominique tut wirklich alles. Sie stiehlt Babys und Diamanten, will den ESC gewinnen, will eine Miss Universe werden (und besticht dabei natürlich alles und jeden!), will ein Gebäude zur Hälfte abschneiden, die größte Modesammlung von Paris besitzen und dem Terrorismus eine private Armee entgegensetzen. Jedes dieser Konzepte klingt total seltsam, abgedroschen und vielleicht ein bisschen sehr weird, aber in diesem Buch passt alles sehr gut zusammen und am besten ist dabei noch, dass niemand in dieser Geschichte versucht Dominique aufzuhalten. Wieso denn auch? Sie hätten eh keine Chance.
- Der allwissende Erzähler verleiht der Story eine gute Struktur
Dieses Buch wird von einem begrenzten allwissenden Erzähler erzählt (höhö!), der sich erst später im Buch zu erkennen gibt und generell dadurch, dass er eben ein Charakter ist, noch viel mehr Charme und Witz in das Buch einbringen kann und seine eigene Meinung immer wieder einstreut.
Ich fand die Struktur genial, denn es wird nicht ganz streng linear erzählt, es gibt immer wieder kleine Hinweise auf andere Dinge und das Ende wird von Anfang an vorweg genommen.
Der Schreibstil ist dazu wunderbar flüssig, an den richtigen Stellen ein wenig sperrig und nimmt den Leser immer mit einem Augenzwinkern und einem leichtern Lächeln mit ins nächste Abenteuer.
NEGATIV
- Die Storyline von Luc wirkte ein wenig überflüssig
Ich meine zwar, dass Lucs Sicht definitiv eine gute war und auch angebracht, da er die Verehrung und die allgemeine Unwissenheit, die Dominique entgegen gebracht wurden, widerspiegelte und es auch mal ziemlich belustigend war, dass es einen männlichen Counterpart des Superirgendwas gibt, der nur sabbernd in der Ecke steht und ein wenig moralischen Support vergeben kann, während die richtigen Geschäfte woanders stattfinden. (Auch schon wieder Kritik am Genre, ich beginne zu befürchten, dass jede Kritik, die ich hervorbringe einfach wieder Kritik am Genre ist, die ich damit gleich wieder selbst ausmerzen kann. Oh, was ein Teufelskreis!)
Fazit
“Evil Miss Universe” hatte mich gleich gehookt, als ich auf der Buchmesse von der Veröffentlichung erfuhr! Ich liebe den gesellschaftskritischen Anstrich, ich finde es absolut fabelhaft, dass es eine weibliche Superschurkin gibt, die auch noch einen guten Modegeschmack hat und finde den Verlauf des Plots absolut fantastisch in der Art wie er mit Klischees und Erwartungen spielt. Der Schreibstil war super und immer wieder absolut witzig und erheiternd, sodass ich nicht anders kann, als das Buch allen zu empfehlen, die Superhelden total lieben oder ihnen absolut kritisch gegenüberstehen, denn beide Seiten werden hier auf ihre Kosten kommen!
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