Ich weiß, dass ich mit dieser Rezension unfassbar spät bin. Aber ich wollte trotzdem noch meinen Senf dazu geben, denn ich liebe liebe liebe dieses Buch! Man kann so viel über Sprache, andere Sprachen und vor allem über die Wahrnehmung von Menschen, die andere Sprachen sprechen lernen.
Ich habe dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen und kann wirklich jedem empfehlen, genau dies zu tun, weil es der absolute Hammer ist!
Bibliographische Daten
- Autorin: Kübra Gümüşay
- Genre: Sachbuch, Sprachwissenschaft
- Verlag: Hanser Berlin
- Seitenzahl: 207 S.
- ISBN: 978-3-446-26595-0
Kurzbeschreibung
Wie können wir als Gesellschaft über unsere Probleme sprechen, ohne den Hass der Rechten zu nähren – respektvoll, wohlwollend, ohne Angst vor Fehlern?
Wie können wir frei sprechen?
Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer polarisierenden Welt. Kübra Gümüşay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen. Doch wie können Menschen wirklich als Menschen sprechen? Und wie können wir alle – in einer Zeit der immer härteren, hasserfüllten Diskurse – anders miteinander kommunizieren?
Vielen Dank an den Hanser-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Eigene Meinung
Ich liebe dieses Buch. Ganz gerade heraus und ohne viel drumherum. Dieses Buch habe ich innerhalb eines Nachmittages verschlungen und finde es unfassbar schön, wie es mich absolut mitnehmen konnte und ich eigentlich nicht wieder aus diesen schönen Formulierungen auftauchen wollte.
Am Anfang handelt dieses Buch gar nicht so sehr von dem versprochenen offenen Diskurs in unserer heutigen Gesellschaft, sondern viel mehr von einer Art sprachlicher Autobiographie, in der Gümüşay sich selbst und ihr Aufwachsen mit mehreren Sprachen beschreibt und auch, wie die verschiedenen Sprachen sie beeinflussen und wie sich ihr Denken jeweils verändert. Ich fand das unfassbar spannend, denn ich bin nicht zweisprachig aufgewachsen, aber finde Berichte von ebensolchen Menschen immer wunderbar faszinierend und versuche so viel darüber zu lernen, wie es geht.
Denn auch bei mir ist es so, dass ich mich in den beiden Sprachen, die ich halbwegs flüssig sprechen kann, total anders fühle, mich anders ausdrücken kann und mich immer wieder in Situationen wieder finde, in denen eine Sprache nicht auszureichen scheint.
Gümüşay beschreibt auch das Phänomen, bei dem Wörter sich von ihrer Bedeutung einfach nicht übersetzen und außerhalb der Sprache ganz schwer beschreiben lassen. Dies fand ich unfassbar spannend und wirklich schön poetisch geschrieben.
Außerdem wurde beschrieben, wie sie in den verschiedenen Sprachen jeweils wahrgenommen wurde und wie Menschen auf sie reagierten, wenn sie merkten, welche Sprachen sie fließend sprechen konnte. Diesen Teil fand ich wirklich unfassbar spannend, denn der Rassismus, der sich aus diesem Teil zwar in kleinen und großen Gesten herauslesen lässt, ist wirklich nicht schön und dementsprechend für Menschen, die diesen nicht erleben, aufrüttelnd und augenöffnend. Das fand ich wirklich wunderbar gemacht.
Zwischendurch gibt es tatsächlich auch philosophische Eindrücke und Theorien, die mich tatsächlich unfassbar gefesselt haben, weil sie eine Theorie aufstellen, wie in unserer Gesellschaft “die anderen” wahrnehmen, wie mit ihnen dementsprechend umgegangen wird und wie sich das Gefühl des dauernd “Anders seins” in einem Individuum manifestieren und auch das Verhalten beeinflussen kann, obwohl es niemand aktiv mitgestaltet oder wahrnimmt. Hat mir in jedem Fall eine neue Perspektive auf unsere Gesellschaft verschafft!
Der letzte Teil befasst sich dann tatsächlich mit dem Teil, der mich am meisten interessierte: Wie können wir als Gesellschaft auf gleicher Ebene über Probleme sprechen, ohne den Hass der Rechten zu nähren? Und wie können wir respektvoll auf Social Media miteinander umgehen?
Dieser Teil war auch wieder unfassbar schön und verständlich geschrieben, sodass den Gedankengängen sehr gut zu folgen ist. Ich finde es schön, dass auf die neue Diskussionskultur auf Twitter und Facebook eingegangen wurde. Als jemand, der wirklich sehr häufig auf Twitter unterwegs ist, waren mir diese Situationen und Diskussionen natürlich schon bekannt und auch, welche Standpunkte und Strategien im Netz einfach nicht funktionieren und welche genutzt werden, um zu trollen und aufzuregen, nicht um wirklich zu diskutieren.
Dort wartete also nicht viel Neues auf mich. Trotzdem habe ich einige spannende Ansätze mitgenommen, die meinen Blick verschärft oder ein wenig zurechtgerückt haben. Eine schöne Diskussion, die für mich zwar nicht ganz so viel Neues bot und für meinen Geschmack ein wenig zu kurz war, aber trotzdem tolle Ansätze enthält und für mich wirklich schön geschrieben war!
Fazit
Ich liebe dieses Buch mit ganzem Herzen und finde es wunderbar, wie viele Gedanken und Strukturen ich durch dieses Buch mitnehmen und in meine Gedankenströme integrieren konnte. Dieses Buch ist ein wilder Mix aus einer Autobiographie, Gedanken über Rassismus und wie wir in einer Welt, in der die Diskursverschiebung nach rechts nichts mehr seltsames ist, miteinander reden und kommunizieren können. Eine unfassbare Empfehlung von mir, da dieses Buch sich außerdem sehr schnell lesen lässt, wunderbar ausformuliert ist und einen nur mitreißen kann!
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