“Was Männer nie gefragt werden” von Fränzi Kühne | Rezension

 Heute gibt es eine Rezension zu einem “feministischen” Buch: “Was Männer nie gefragt werden – Ich frage trotzdem mal” von Fränzi Kühne. In dieser Rezension möchte ich aufzeigen, wieso ich ungefähr alles an diesem Buch fragwürdig finde, wieso ich es nicht noch mal lesen würde und wieso es mich an “Alte weiße Männer” von Sophie Passman erinnert.


Bibliographische Daten

  • Autorin: Fränzi Kühne
  • Genre: Sachbuch
  • Verlag: S. Fischer Verlag
  • Seitenzahl: 225 S.
  • ISBN: 978-3-596-70582-5
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Kurzbeschreibung

 Fragen, die die Männerwelt auf den Kopf stellen

“Herr Maas, Sie tragen meist Anzug und Krawatte – die ist Standard in Ihrem Umweld, oder?”

“Mussten Sie sich zwischen Kindern und Ihrem Start-Up entscheiden, Herr Zeiler?”

Warum klingen diese Fragen seltsam? Weil sie sonst nur Frauen gestellt werden.

Ich habe das wieder und wieder erfahren, als ich jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands wurde. Aber statt mich zu ärgern, habe ich mir einen Spaß gemacht und den Spieß einfach umgedreht: Jetzt stelle ich Männern all die Fragen, mit denen ich sonst konfrontiert werde. Das Ergebnis hat mich überrascht. Aber lesen Sie selbst …

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Vielen Dank an den Fischer-Verlag für das Rezensionsexemplar!



Eigene Meinung

Ich weiß ja nicht, wieso ich mir solche Bücher immer wieder antue. Aber ich dachte, dass es in diesem Buch, in dem es ja eigentlich um den Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Interviewten geht, zumindest einige interessante Themen geben könnte oder zumindest Dinge gut formuliert werden, die ich allerdings schon kenne.

Aber genau wie in Sophie Passmans “Alte weiße Männer” verfliegt nach etwa 30 Seiten aller Spaß, alle Freude und alle Neugierde an dem Thema, wenn man merkt, dass hier *wirklich* nur den random wirkenden interviewten Männern die Bühne geboten werden soll. Die Fragen wirken auch nicht pointiert, sondern teilweise hohl, sodass die Interviewten sich ihre Antworten zurecht biegen können, wie sie gerade lustig sind. In manchen Fällen – wie zum Beispiels Heiko Maas Anzüge – gibt es dann tatsächlich Einsichten und gut beschriebene Anekdoten. In den meisten Fällen hängt man sich jedoch an einer Frage auf, um einem der Männer eine Kurzbiografie zu geben, die interessanten Antworten kurz aufzuzählen und dann irgendwas von Vereinbarkeit und Familie hinterher zu schieben.

Ach. Und dann auch noch die ständigen Selbstreferenzen. Die ständigen und immer wiederkehrenden Referenzen auf Fränzi Kühnes Arbeit, ihre Firma, ihre Familie, ihre Freunde. Granted, niemand hat gesagt, dass es eben *nicht* um sie geht. Aber ich dachte, wenn, dann geht es doch bestimmt eher um die interviewten Herren, nicht um die Autorin und ihre Sicht, beziehungsweise eher auf ihre Sicht auf die Medien und ihre Behandlung durch eben jene.

Aber nein, es geht um Fränzis Familie, Fränzis Dies, Fränzis Das, Fränzis Jenes. Ab der Hälfte des Buches habe ich die x-te Erwähnung von ihrer Beförderung zur Aufsichtsrätin übersprungen, hängen geblieben bin ich nur an ihrer Schilderung, wie ihre Schwangerschaft als geschäftsruinierend aufgenommen wurde. Das fand ich dann wieder spannend.

Man merkte aber immer wieder raus, dass Fränzi eigentlich gar keine unangenehmen Fragen stellen wollte. Das Ziel hätte ja gewesen sein können, die Fragen mit so einer Selbstverständlichkeit zu stellen, dass die anwesenden Männer sich absolut überrumpelt fragen, wieso jemand so tief in ihre eigene Privatsphäre eindringt, wieso so harsch über sie geurteilt wird und eigentlich in jeder Frage ein Urteil und eine Herausforderung steckt, anstatt Bewunderung oder eben einfach Neutralität. Stattdessen merkt man an mehreren Stellen, wie es der Interviewerin peinlich ist, wenn Sprachpausen entstehen, wenn die Gespräche nicht gut laufen und so weiter. Über keinen der Männer wird in diesem Buch ein wirklich schlechtes Wort verloren. Wenn man aber aus diesem Buch wirklich nichts Wichtiges für die Debatte ziehen kann und wenn man sich in den Interviews noch nicht mal traut, direkt, zynisch oder auch pointiert zu sein, dann hätte man die ganze Interview-Reihe echt in die Tonne kloppen können.

Denn so, weiß ich genau das, was ich vorher auch schon wusste. Die anwesenden Männer wurden noch nie richtig auf ihr Aussehen reduziert, wurden noch nie in ihrer Position grundlegend angezweifelt, sehen sich nicht als Vorbilder oder gar in einer Rolle, die andere beeinflussen könnte. Oh und Kinder und Beruf geht ganz klar zusammen, aber eigentlich nur “wegen meiner wunderbaren Frau”. Gähn, next. Da hätte ich auch jedes beliebige *andere* Interview lesen oder gucken können. Und für Anekdoten von Fynn Kliemann oder Gregor Gysi hab ich jetzt auch keine Karte gekauft, wenn ich eigentlich eher wissen wollte, wie Männer auf übergriffige Interviewfragen reagieren.

Stattdessen scheint dieses Buch genau eins erreicht zu haben: Am Ende sagen viele der Beteiligten, dass ja alles gar nicht so schlimm gewesen sei, sei halt nur ein sehr persönliches Interview gewesen. Also hat Fränzi Kühne es mit ihen Fragen noch nicht mal geschafft, die anwesenden Männer zum Umdenken oder Hinterfragen zu bewegen, wie sollen dann bitte Leser*innen darauf kommen, dass die Interviewfragen, die Fränzi Kühne und anderen Frauen gestellt werden, meist zutiefst sexistisch, oberflächlich oder fahrlässig gestellt sind? Und was genau soll man als Lesender da bitte mitnehmen?

Ist doch eigentlich gar nicht so schlimm? Vereinbart einfach Familie und Kind besser, schuftet euch jede Minute eures Lebens ab und habt trotzdem nie Zeit für das, was ihr machen wollt? Ja vielen Dank, da kann ich auch in jede beliebige Bank gehen, die erzählen ihren Angestellten exakt dasselbe.

Ich möchte doch einfach nur ein Buch, welches sich wirklich mit Sexismus beschäftigt, dabei nicht dauernd NUR Männer zu Wort kommen lässt und dabei nicht die ganze Zeit mit wirtschaftlichen Buzzwords wie “Vereinbarkeit” oder “Zeit-Management” oder auch nur “Ich hol mein Kind einmal in der Woche vom Kindergarten ab” hören.

Vielleicht beim nächsten Mal einfach Frauen interviewen. Die hätten wahrscheinlich auch viel Spannenderes zu erzählen.


Fazit

Ein Buch, welches ich nicht völlig doof fand, aber eben auch nicht viel Gutes finden konnte. Es hat sich sehr kurz und gleichzeitig sehr lang angefühlt. Ich hatte ebenfalls das Gefühl, dass das Buch nur durchgerusht wurde und ein sehr schmales Lektorat erhalten hat. Die Interviews mit den Männern liefern keine neuen Einsichten außer dem, was eh alle wissen: Frauen werden anders behandelt als Männer, nämlich sexistisch. Und die dauernden Selbstreferenzen gingen mir dermaßen auf den Sack, dass ich sie ab der Hälfte des Buches einfach übersprungen habe. Interessant, wenn man Interviews mit den interviewten Männern lesen möchte. Nicht sehr interessant, wenn man sich dann doch für Medienkritik und Feminismus interessiert.

2 von 5 Tintenkleckse
 

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