Luft zum Atmen | “Kleine Fluchten” von Carole Fives | Rezension

 In dieser Rezension soll es um den französischen Roman “Kleine Fluchten” von Carole Fives gehen. In diesem doch sehr kurzen Roman geht es um eine Mutter, die ihren kleinen Sohn alleine groß zieht und irgendwann anfängt, sich kleine Fluchten vor ihrem Sohn zu gönnen, während dieser schläft. Doch sie bleibt immer länger fort…


Bibliographische Daten

  • Autorin: Carole Fives
  • Genre: Roman
  • Verlag: Zsolnay
  • Übersetzerin: Anne Braun
  • Seitenzahl: 139 S.
  • ISBN: 978-3-552-07226-8
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Kurzbeschreibung

 Wenn ihr kleiner Sohn endlich schläft, gönnt sich die junge Mutter kleine Fluchten. Sie verlässt die Wohnung, zuerst nur ganz kurz, dann immer länger …

Ihr kleiner Sohn ist hübsch, blond gelockt und wird von allen bewundert. Doch er lässt seiner Mutter keine freie Minute. Der Vater ist abgehauen, die junge Frau hat weder Familie noch Freunde, die sie unterstützen könnten. Auch die Nachbarn, er ist Polizist, sie scheint nicht zu arbeiten, wollen nichts mit ihr zu tun haben. Wenn der Kleine endlich schläft, gönnt sich die junge Mutter kleine Fluchten. Sie verlässt die Wohnung, zuerst nur ganz kurz, dann immer länger. Bis sie einmal eine ganze Nacht lang wegbleibt und das Kind allein zurück in der Wohnung lässt …

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Vielen Dank an den Zsolnay-Verlag für das Rezensionsexemplar!



Eigene Meinung

Ich lese in letzter Zeit gerne kurze französische Romane, die eigentlich immer davon spielen, wie es Frauen im Patriarchats Frankreichs geht und welche Probleme sich dabei im freien und ungezügelten Selbstverständnis dieser Frauen ergeben. Nun also auch “Kleine Fluchten”, was ich in dieser Rezension besprechen möchte. Carole Fives zeigt uns wie der Alltag einer Frau in Frankreich aussieht, die ein Kleinkind allein erziehen muss und dabei nur nebenbei arbeiten gehen kann. Sie schreibt und designt, aber schafft immer weniger, denn das Kind erfordert dauernd ihre ganze Aufmerksamkeit, wird zu ihrem einzigen Lebensinhalt. Gleichzeitig möchte der Vater nicht wirklich etwas zum Lebensunterhalt beitragen und man merkt, wie die kleine Familie zusehends in größere Armut rutscht und wie sich keine Behörde oder jemand anderes in irgendeiner Form zuständig für sie und ihr Kind fühlt.

Die Diskrepanz zwischen der Lebensweise der alleinerziehenden Mutter, die sich zusehends wie in einem Gefängnis mit ihrem Kind als Gefängniswärter vorkommt, und der Außenwelt wird an manchen Stellen sehr sichtbar und tut dem Lesenden fast schon weh. Denn die Frau realisiert in diesem Moment, dass sie ja eigentlich auch noch als etwas ganz anderes existieren kann, als als immer nur kümmernde Mutter. Diese Melancholie nach auch nur einem kleinen eigenen Leben treibt die junge Mutter dann auch dazu, eines Tages ihren Sohn einfach allein zu lassen und hinaus aus der Wohnung zu gehen.

Dieser Schritt ist ein Spannungsbruch, denn die gesamte Zeit wird ihr auch von anderen immer wieder eingebläut, dass man sein Kind niemals alleine lassen könne, dass man nie Zeit nur für sich haben kann. Der erste Spaziergang draußen – wirkllich nur ein Spaziergang, es passiert genau NICHTS – ist deshalb eine wahnsinnig spannende und nervenzerreibende Angelegenheit, weil die Verantwortung der Mutter für nur eine halbe Stunde abgegeben wird.

Diese Ausflüge werden immer länger und mit ihnen auch die Sorgen um das meist schlafende Kind immer weniger.

Das Ende bricht leider komplett mit dem gut gebauten Spannungsbogen, der sich nur aus der Spannung zwischen dem Wunsch, eine eigene Person zu sein und eine gute Mutter zu sein, speist. Das Ende möchte ich hier natürlich nicht verraten, aber irgendwie kam es mir vor wie ein Schockmoment, der auf billige Weise das Buch beendet und nicht wirklich viel mit den Themen des Buches zu tun hat.

An sich hat mir das Buch gut gefallen, ich habe eine morbide Faszination damit, Bücher über das Muttersein zu lesen, da diese mich immer weiter davon entfernen, jemals eine werden zu wollen. Auch dieses Buch bediente diese Faszination, gab aber auch einen sehr guten Einblick in die Gefühlswelt und in die Abgeschiedenheit alleinerziehender Mütter von sich selbst und der Welt.


Fazit

Ein Buch, was von unterschwelliger Spannung lebt und diese immer weiter aufbaut. Man kann sich dem sog dieses Buches und vor allem der Lebenssituation der alleinerziehenden Mutter nicht entziehen. Das Ende lässt für mich zwar ein wenig zu wünschen übrig, dennoch finde ich, dass sich dieses Buch sehr lohnt, wenn man den Alltag und die Lebenssituation alleinerziehender Mütter in Frankreich kennenlernen möchte. Allerdings hatte das Setup und der Plot des Buches für mich noch sehr viel Platz, um mehr zu vermitteln, mehr zu geben und mehr zu besprechen. Deshalb gibt es zwar eine Empfehlung, aber keine uneingeschränkte!

3.5 von 5 Tintenkleckse
 

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